Unsichtbarer Aufwand und Gagen-Verteilung
Als Darsteller*in arbeitet man immer viele Stunden ohne Vergütung. Es wäre an der Zeit, die Gelder etwas fairer zu verteilen. Die Kolumne von Stefanie Gygax.
Bei Engagements redet man immer von Probengage und Vorstellungsgage. Doch da fehlt etwas. Warum wird die Vorbereitungszeit nie vergütet? Als ich bei einem kürzlichen Gespräch hörte, dass nicht einmal bei einem festen Arbeitsvertrag am Theater die „Einstudierungszeit“ irgendwie einberechnet wird, war ich echt sprachlos.
Es gibt 1.5 freie Tage pro Woche und in dieser Zeit soll man dann üben, oder wie ist das gedacht?
Bei Konzerten könnte man sagen, in der Pauschale sind Proben und Vorbereitungszeit inbegriffen, aber eigentlich umfasst die Höhe der Gage meist nur das Minimum an Zeitaufwand für die Proben und den Auftritt. Wenn wir Glück haben, kommt noch Spesengeld dazu.
Was die Vorbereitung alles umfasst, sieht niemand. Viele Zuschauer und junge Künstler*innen haben das Gefühl, dass sie das, was sie auf der Bühne sehen, auch selbst bringen könnten. Welche Hürden wir überwinden müssen, um erst einmal an diesen Punkt zu kommen, bleibt den meisten verborgen. Nach Aussen wird nur der Glamour sichtbar, das Schöne an unserem Beruf.
Wenn ich mir überlege, dass die Zeit auf der Bühne den kleinsten Prozentsatz unserer Arbeit darstellt, erklärt das vermutlich, warum ich in meinem Alltag manchmal frustriert bin. Die ganze Arbeit, die Zeit, das Training, konzentriert sich auf die wenigen Stunden, auf den Auftritt, das Adrenalin, die Spannung zwischen Publikum und Darsteller, das Abliefern auf den Punkt, ohne 2. Chance.
Im stillen Kämmerchen
Wenn ich dann das nächste Engagement in der Tasche habe, beginnt alles von vorne. Unterlagen und Noten beschaffen, studieren und auswendig lernen, die Literatur dazu lesen, je nach Sprache auch die Übersetzungen machen. Alles im stillen Kämmerchen, alleine, stundenlang, Tag für Tag. Dies auf Insta oder Facebook zu posten ist auch unbefriedigend, weil es irgendwann alle Beteiligten langweilt. So kriegt es niemand mit.
„Ah tuesch nochli üebe. Ich gange jetzt scho schaffe“, hören wir aus unserem Umfeld, als ob wir keine richtige Arbeit leisten würden. Nach ein paar Monaten Vorbereitung, die keiner sieht und keiner bezahlt, beginnen dann die Proben. Wir sind ständiger Kritik und somit Selbstzweifeln ausgesetzt, jeden Tag und werden dann am meisten geliebt, wenn wir alles über uns ergehen lassen, ohne den Mund aufzumachen.
Niemand redet gerne darüber, weil wir ja die gute Stimmung bewahren und keine Schwäche zeigen wollen. Bis zur Premiere steigert sich dann meistens die emotionale Spannung dermassen, dass die ersten Kollegen und Regisseure ausrasten, weil sie den Frust nicht mehr halten können. Das Publikum sieht nicht hinter den Vorhang. Sie sehen nur die glamouröse Darstellung, nicht den Stress, die Tränen und Flüche in der anstrengenden Zeit davor. Wenn es dann endlich so weit ist, sind alle Darsteller*innen glücklich, die Tortur ist vorbei ist und endlich dürfen sie sich sorgenfrei in die Aufführung stürzen. Bis der ganze Kreislauf wieder von vorne beginnt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, irgendwie ist es doch verständlich, dass unsere Freunde und Familie, die nicht in diesem Business tätig sind, diese Welt ganz und gar nicht verstehen können. Es ist ja alles ein Widerspruch in sich. Von den zwischenmenschlichen Problemen im Theater mal ganz abgesehen.
Ich wäre aber tatsächlich glücklicher, wenn die Arbeit, die ich abseits der Kulissen mache, auch honoriert würde. Wie kommen wir dahin? Ein Fussballer wird auch fürs tägliche Training bezahlt. Bei uns gibt es aber so viele verschiedene Arbeitsnischen, dass diese kaum überschaubar sind, geschweige denn bezahlbar. Ich glaube, dass wir uns diese Frage gar nicht stellen würden, wenn wir nicht ständig um jeden Franken kämpfen müssten. Bei jedem Job wieder aufs Neue argumentieren und verhandeln müssten, um wieder zu hören, dass nicht mehr Gage möglich ist.
Es ist uns klar, dass man in der Kultur selten reich wird. Dass die Theater, Produzenten und Häuser auch nicht viel Geld haben. Es wäre jedoch schon ein kleiner Schritt, wenn die vorhandenen Mittel fair unter der Mitarbeitenden eingesetzt würde, mit Verständnis und dem Willen, das Bestmögliche für uns alle herauszuholen, um auch mit dem bestmöglichen Team zusammenarbeiten zu können.
DAS wäre doch ein toller Teamspirit, um in ein neues zu Projekt zu starten meine Lieben. Dann hätten wir von Anfang an das Gefühl: Wow, ich werde für diese Produktion Alles geben: „Einer für Alle und Alle für Einen.“
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