Abrissbirne und Zensur, Frau Wappler?
Wieso zerstört die SRF-Leitung den Service Public? Eine Polemik von Reda El Arbi.
Ich bin verwirrt. Ich dachte, wenn ich mich für Service Public einsetzen will, sitze der politische Gegner im Komitee der Halbierungsinitiative. Jetzt reibe ich mir die Augen und beginne zu glauben, die wahre Gefahr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sitzt in der Führungsetage des SRF.
Die Auswirkungen der Entscheide der letzten Wochen sind verheerend. 70 Entlassungen 2024, weitere 50 im laufenden Jahr. Soviel wir bis jetzt wissen. Es kann immer noch mehr dazukommen. Erst wird die Kulturberichterstattung dezimiert, dann folgen Wissenschaft und Wirtschaft. Jetzt stampfen Beraterfirmen durch die Gänge des Leutschenbach, prüfen die Produktion und Abläufe und entscheiden, was Wert hat und was auf den Müll muss. Beraterfirmen wohlgemerkt, die keine Ahnung von Service Public haben.
Wichtig:
SzeneSchweiz setzt sich trotz der augenblicklichen Selbstdemontage des SRF gegen die Halbierungsinitiative ein. Es geht nicht nur darum, heute einen funktionierenden Service Public zu erhalten. Es geht auch darum, den nächsten Generationen eine Informationsinfrastruktur zu hinterlassen, die ihnen die Möglichkeit gibt, sich unabhängig von finanzieller oder politischer Einflussnahme zu informieren und so unsere Demokratie am Leben zu erhalten.
Knowhow und Expertise im Wert von mehreren Jahrzehnten muss über die Sparklinge springen. Fundierte Berichterstattung weicht kleinen Schnipseln aus zusammengedampftem Infotainment am Rande anderer Sendungen und 15-Sekunden-Beiträgen auf Plattformen, die gerade Fakten zu einem Störfaktor erklärten. Wer um Himmels willen denkt, in der gegenwärtigen postfaktischen Demokratiekrise sei es eine gute Idee, faktenbasierte Berichterstattung zu Wissenschaft und Wirtschaft abzubauen? Kultur einzudampfen und Sichtbarkeit von marginalisierten Gruppen abzusägen?
Zensur und vorauseilender Gehorsam
Als sich dann einige SRF-Journalist*innen in den sozialen Medien kritisch bis vernichtend zum Sparhammer äusserten, liess sich die Führung nicht etwa auf eine Diskussion ein. Sie zitierten die Betreffenden zu einem «klärenden Gespräch», worauf diese ihre Posts löschten. Wobei «klärendes Gespräch» in Unternehmenssprech eigentlich «mehr oder weniger subtiler Druck» bedeutet. Natürlich ist der Schaden bereits angerichtet und wer nur ein wenig Ahnung von Journalist*innen hat, weiss, dass sie sich nicht so leicht einschüchtern lassen. Inzwischen nutzte die Wissenschaftsredaktion sogar die eigene Sendung, um den Abbau zu thematisieren und die Logik dahinter infrage zu stellen.
Die Selbstdemontage ist ein Paradox. Wappler steht vor die designierten Feinde des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und will beweisen, dass sie bereits alles unternimmt, um deren Forderungen zu erfüllen. Sie bekommt dafür auch Applaus. SVP-Nationalrat Gregor Rutz oder Co-Präsident des Komitees Halbierungsinitiative Thomas Matter begrüssen das Sparpaket breit grinsend. Bullies lassen sich nicht davon beeindrucken, wenn man sich selbst ins Gesicht schlägt. Sie werten das richtigerweise als Schwäche und schlagen noch härter zu.
Kein normales Unternehmen
Der Fehler liegt im Selbstverständnis der SRG-Führung. Sie sehen sich als CEOs eines Grossunternehmens, das Aktionäre – oder in diesem Fall Politiker*innen – zufriedenstellen und sich auf dem Markt beweisen muss. Und das mit den üblichen unternehmerischen Mitteln: Effizienz wird nur in Geld gemessen, Erfolg in Klicks und Reichweite. Das ist kein Service Public. Es gibt Werte. die sich nicht auf Konten einzahlen lassen.
Liebe Frau Wappler, liebe SRF-Führung,
ihr leitet kein privatwirtschaftliches Unternehmen, ihr spielt nicht auf dem freien Markt. Das SRF ist euch nur geliehen, und ihr dient der Schweizer Bevölkerung, nicht der Politik. Euer kategorischer Imperativ ist nicht Wirtschaftlichkeit, sondern Nutzen für die Gemeinschaft. Ihr werdet irgendwann abtreten und ihr steht in der Pflicht, euren Nachfolger*innen einen funktionierenden Service Public zu übergeben. Kein kosteneffizientes, kein markttaugliches Medienunternehmen, sondern das mediale Rückgrat unserer Demokratie.
Der Wert, den ihr generiert, misst sich in Gemeinwohl. Euer Job ist es nicht, möglichst viel Werbung zu verkaufen oder möglichst gute Einschaltquoten zu generieren. Euer Job ist es, Information, Kultur und Fakten zu vermitteln. Eure Neutralität fusst nicht in Gleichgültigkeit oder Beliebigkeit, sondern in der Verteidigung der eigenen Werte und Aufgaben.
Wenn ihr nicht mehr bereit seid, für eure Kernaufgabe, für euren Daseinszweck zu kämpfen, dann müsst ihr euch nicht wundern, wenn sich die Menschen, die sich bisher für euch einsetzten, abwenden.
Ist mir leider aus blutendem Herzen gesprochen.
Sehr geehrter Reda El Arbi,
Natürlich bin ich auch sehr enttäuscht von den Kürzungsmassnahmen. Es ist schrecklich – und wird noch schlimmer kommen, was die Politik mit der SRG vorhat.
Mindestens so bedenklich und völlig unverständlich finde ich aber, dass Sie Ihr Gift nicht gegen die Verantwortlichen in der Politik ausschütten. Natürlich müssen Wappler & Co jetzt ausbaden oder noch schlimmer ausfressen, was Politiker:Innen, die eine unabhängige SRG hassen wie die Pest, in ihrer Machtgeilheit ausgedacht haben. Ich nehme an, dass Sie, Reda El Arbi, haargenau wissen, was in einer solch verzwickten und verzweifelten Situation zu tun wäre. Warum sagen Sie es denn nicht? Dabei will ich die mangelnde Kommunikation der SRF/SRG-Verantwortlichen nicht in Schutz nehmen. Aber Ihre Pfeile in eine etwas andere Richtung (Richtung Politik, v.a. SVP etc.) abzuschiessen, hätte Ihnen eigentlich gut angestanden. Was werden Sie schreiben, wenn die SRG dereinst 270 Mio (oder gemäss Halbierungsinitiative 750 Mio) „einsparen“ muss? Es gilt meines Achtens jetzt den Kampf nicht gegen die Leitung der SRG aufzunehmen, sondern der Bevölkerung klar zu machen, wie hirnlos und brandgefährlich die Denkart gewisser Volksvertreter:Innen ist. Dagegen sollten Sie ankämpfen. Denn eines ist klar: je weniger Geld vorhanden ist, umso schlimmer wird die Situation für die viersprachige SRG werden. Oder anders gesagt: ohne Finger lässt sich auch mit dem besten Willen keine Faust mehr machen!
Noch etwas: Fragen Sie bitte mal nach, wieviel und wo der welsche, Tessiner und rätoromanische Teil der SRG sparen muss. Sie würden dann sehen, dass hinter der Halbierungsinitiative ein ganz abgefeimtes System steckt.
Auf den Punkt gebracht. Danke!