Konflikt Theater Basel: Rechtliche Stellungnahme zum Bajour-Artikel vom 2. Juni

In den letzten Wochen machten am Theater Basel Arbeitskampf-Aktionen von Ensemblemitgliedern – koordiniert von der Regionalvertretung der UNIA – Schlagzeilen regional und überregional. Diese Aktionen fanden ohne Wissen oder Mitwirkung des Verbandes SzeneSchweiz statt.
In der Berichterstattung zu diesen Aktionen wurde der Arbeitsrechtler Prof. Thomas Geiser zu den rechtlichen Grundlagen der Aktionen zitiert. SzeneSchweiz muss, nach gründlichen juristischen Abklärungen, einigen der veröffentlichten Aussagen vehement widersprechen.

Im Artikel werden – mit Verweis auf eine Anfrage bei Prof. Thomas Geiser – die folgenden beiden Standpunkte wiedergegeben:
· Die Unia sei berechtigt, mit dem Theater Basel direkt über Gagen der Tänzer*innen zu verhandeln.
· Die Friedenspflicht sei von den Tänzer*innen nur einzuhalten, sofern sie Mitglied von Szene Schweiz seien; ansonsten müssten sie sich nicht an den GAV halten.

(Zum Artikel gehts hier)

Zu den Lohnverhandlungen

Mit der Unterschrift unter den Arbeitsvertrag eines Arbeitgebers, der den Vorgaben des GAV unterliegt, haben angestellte Künstler*innen die Sozialpartnerschaft und damit die Vertretung durch SzeneSchweiz akzeptiert, auch ohne explizit Mitglied des Verbandes zu sein. Sie dürfen sich natürlich im Einzelfall, also in den Verhandlungen eines Individuallohnes, von einem Rechtsvertreter unterstützen lassen.

Die Lohnverhandlungen für die im Hause geltenden Mindestlöhne sind jedoch SzeneSchweiz als offiziellem Sozialpartner vorbehalten und können nicht durch einzelne Ensemble-Vertreter*innen an UNIA abgegeben werden.

Zur Friedenspflicht

Mit der Unterschrift des Arbeitsvertrages anerkennen die Ensemble-Mitglieder gleichzeitig den geltenden GAV, aus dem die Bedingungen für den individuellen Arbeitsvertrag hervorgehen. Mit dieser Anerkennung kommt auch die Vorgabe der Friedenspflicht. Weder einzelne Ensemble-Mitglieder noch ein gesamtes Ensemble kann diese aussetzen. Die Aussetzung der Friedenspflicht unterliegt alleine dem Sozialpartner, der den GAV ausgehandelt hat.

Die Folgen

Aufgrund dieser Beurteilung zeigt sich, dass UNIA leider die rechtliche Situation des Ensembles am Theater Basel falsch eingeschätzt hat. Die übereilte Aktion hat nicht nur die Arbeitsplätze der Beteiligten gefährdet, sie lässt auch die Ensemble-Mitglieder mit einem rechtlichen Risiko allein: Für eventuell ausfallende Vorstellungen oder andere finanzielle Einbussen durch die Aktionen könnten die Beteiligten haftbar gemacht werden.

SzeneSchweiz setzt sich mit Engagement und Überzeugung für verbesserte Arbeitsbedingungen auf und hinter Schweizer Bühnen ein. Dies ist keine Auseinandersetzung, die mit einem Holzhammer geführt werden kann. Kampfmassnahmen, so attraktiv sie auf den ersten Blick scheinen mögen, schaden immer dem gesamten Kulturbetrieb und können im schlimmsten Falle sogar Subventionen gefährden. Dies zum Schaden aller Beteiligten.

Die Gewerkschaft UNIA mag Sozialpartner für Technik und Verwaltung sein, aber im Bereich Kunst ist sie fremd und gefährdet Betroffene und den Kulturbetrieb als Ganzes. Die Arbeitgeber im Bereich Kultur sind keine internationalen Konzerne oder kapitalistische Ausbeuter. Sie sind in erster Linie Partner, die Kultur auf Schweizer Bühnen ermöglichen.

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Rechtliche Ausführungen:

Zu Lohnverhandlungen:

Es ist danach zu unterscheiden, ob es um die Verhandlung von Mindestlöhnen und/oder Besoldungsordnungen geht, die als Ausfluss des GAV in die lokalen Hausordnungen aufgenommen werden, oder ob es um eine individuelle Gagenverhandlung oder -streitigkeit eines Bühnenmitglieds in einem konkreten Einzelfall geht (bei der sich ein Bühnenmitglied selbstverständlich auch anwaltlich vertreten lassen kann).

Die Bestimmungen über (Mindest-)Löhne sind Bestandteil der normativen Bestimmungen eines GAV (vorliegend Art. 11 GAV Chor und Ballett-/Tanz; zuständig für die Festlegung der an den jeweiligen Häusern geltenden Mindestgagen ist die von den Sozialpartnern gewählte Tarifkommisson). Sofern an den Häusern Besoldungsordnungen festgelegt werden, welche die Entlöhnung für die Bühnenmitglieder konkretisierend festlegen (z.B. nach Dienstalter, Erfahrungsjahren o.ä.), sind sie Bestandteil der vom GAV vorgesehenen örtlichen Hausordnungen (gleich wie Probenordnungen, Vereinbarungen über Spesenvergütungen etc.), welche zwischen den Bühnenleitungen und den gewählten SzeneSchweiz-Ortsgruppenvertretungen auszuhandeln sind.

Die normativen Bestimmungen des GAV gelten auch für die nicht-gewerkschaftlich organisierten Bühnenmitglieder. Denn die Bühnenkünstler*innen haben sich einzelarbeitsvertraglich ausdrücklich dem GAV angeschlossen (vgl. Art. 4 Abs. 1 und 2 GAV sowie und Formular „Bühnenengagementvertrag“ im Anhang des GAV). Entscheidend ist also nicht die Mitgliedschaft bei SzeneSchweiz oder bei Unia (oder ein späterer Wechsel von der einen zur anderen Gewerkschaft), sondern die Tatsache, dass die Tänzer*innen mit ihren Arbeitsverträgen den Anschluss an den GAV und dessen vorbehaltlose Anerkennung erklärt haben (selbst wenn sie nicht Mitglied von SzeneSchweiz sein sollten).

Zur Friedenspflicht:

Auch die Einhaltung der Friedenspflicht ist einem Anschluss an den GAV inhärent. Tritt ein Bühnenmitglied nachträglich einer anderen Gewerkschaft bei, wird es dadurch nicht davon entbunden, die Regeln des GAV weiterhin einzuhalten, denen es sich einzelarbeitsvertraglich unterworfen hat. Die im Artikel formulierte Auffassung, wonach sich die Tänzer*innen nicht an den GAV halten müssten, sofern sie „nur“ Unia-Mitglied seien, ist gestützt auf die einzelarbeitsvertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Theater und den Bühnenmitgliedern nicht zutreffend.

Und bitte! Couch und Kaffee. Der Schauspielpodcast.

Hier sind wir! Das Schauspieldoppelpack Tina Kümpel & Christian Jankovski Christian mit dem Schauspielpodcast für Schauspieler*innen, solche die es werden wollen und alle, die sich für das Thema interessieren. Wir tauchen gemeinsam in die Film- und Theaterwelt ein, berichten über eigene Erfahrungen, Stolpersteine, Ups and Downs, besprechen Schauspielmethoden und diskutieren aktuelle Themen aus der Branche. Uns interessieren auch deine Geschichten, Fragen und Anliegen. Mit immer mal wieder spannenden Gästen runden wir das ganze ab.

Hör zu, sei dabei und werde Teil von uns.
Collaboration with Szene Schweiz 

In der aktuellen Folge #7: Subventionen, Lohnkampagne und Traumrolle geht es um folgende Inhalte:

Heute besprechen wir das neue Subventionskonzept Zürichs und was es für Auswirkungen auf bestehende Kleintheater hat, wer darunter leidet und wie wir dazu stehen. (Un)faire Löhne und unschöne Zustände am Set nehmen wir ebenfalls unter die Lupe. Das Fragenglas darf nicht fehlen mit einer neuen, spannenden Frage und zu guter letzt gibts einen Filmtipp, der ein brandaktuelles Thema anspricht.

Lesen Sie hier den passenden Artikel zum Thema auf ENSEMBLE Magazin.

Neues im April

Exklusiv für SzeneSchweiz-Mitglieder – Akkreditierung Videoex Festival vom 25. Mai bis 4. Juni 2023

Das Experimantalfilm- und Videofestival VIDEOEX lädt zum 25. Mal nach Zürich an die Kanonengasse ein. Seit 1998 ist Videoex das einzige Festival in der Schweiz, das sich explizit dem experimentellen Film- und Videoschaffen widmet und dieses in einem kinematografischen Rahmen präsentiert.Mitglieder von SzeneSchweiz erhalten bei der Akkreditierung eine grosszügige Reduktion: Anstatt CHF 80 kostet der Festivalpass (inkl. Katalog) CHF 15.Hier gehts zur Akkreditierung.

Wichtig:

  • Im Anmeldeformular die Rubrik „Verbände / Professionals“ auswählen.
  • Sich als Professional registrieren und den Verband SzeneSchweiz vermerken.
  • Der Preis von 15 CHF wird direkt beim Abholen des Festivalpasses am Infodesk während des Festivals beglichen.

Mehr Informationen zum Festival unter videoex.ch und auf diesem Flyer.

 


Double: Mentoring & Coaching des Migros-Kulturprozent

Double, die Mentorats- und Coachingplattform des Migros-Kulturprozent, bietet jetzt vier neue Coachings für Theater:

  • Stückentwicklung, Schauspielführung, Rechercheproduktion, Recherchemethoden bei Christoph Frick
  • Strategische Planung, Vernetzung, Dossierarbeit und Projektmanagement (Planung, Budgetierung, Zusammenarbeitsstrukturen) bei Kathrin Walde
  • Kreative Wege: Musik, Video und Performance miteinander verbinden, Grenzen des traditionellen Theaters sprengen bei Ntando Cele
  • Werkzeuge und Methoden, kreative Unterstützung, Dokumentation, Feedback bei Guillaume Béguin

Mentees bewerben sich bis 15. Juni 2023 Kontakt bei Fragen: Mirko VaizLeiter Double, Migros-Genossenschafts-Bund, Direktion Gesellschaft & Kultur


Transition-Center SSUDK – Umschulung von Tänzer*innen

Gerne machen wir euch auf die aktuellen Tätigkeiten der Schweizerischen Stiftung für die Umschulung von darstellenden Künstlerinnen und Künstlern (SSUDK) aufmerksam. Die SSUDK wurde 1993 vom Schweizerischen Bühnenkünstlerverband (heute: SzeneSchweiz) gegründet. Das Transition-Center SSUDK unterstützt vor allem Tänzer*innen bei der beruflichen Transition und leistet wertvolle Beratung bei der Umschulung.Veranstaltungshinweis:Am 21. Juni 2023 veranstaltet das Transition Center-SSDUK mit dem Ballett Theater Basel und Richard Wherlock eine Podiumsdiskussion zum Thema „career on the move“  inkl. Apéro im Theater Basel. Ziel des Austausches ist es, in allen Theatern gleichwertige Unterstützungsmöglichkeiten für Tänzer*innen zu schaffen.Uhrzeit: 17:00 bis 18:00 UhrOrt: Foyer Public Theater Basel Für die Teilnahme am Apéro wird um Anmeldung gebeten bis spätestens 14. Juni 2023 an info@ssudk.ch.

Weitere interessante Neuigkeiten zur SSUDK findet ihr auf deren Website.

SzeneSchweiz: Dance Passport und Weiterbildungsangebote (Workshops)

Im Rahmen von Dance Passport unterstützt SzeneSchweiz Tänzerinnen und Tänzer aus dem Ausland, die für kurzzeitige Engagements in der Schweiz sind. SzeneSchweiz beantwortet unter anderem Fragen zu Gagen, Arbeitsverträgen, Arbeitsbedingungen und Versicherungen. Für Mitglieder, die für kurze Zeit im Ausland engagiert sind, gilt umgekehrt dasselbe Angebot: Sie können bei Fragen die lokalen Künstlerverbände in Europa kontaktieren. Die häufigsten Fragen (FAQ) werden auf der interaktiven Europakarte von Dance Passport beantwortet.

„Ziel des Tanzpasses ist es, eine Quelle der Unterstützung für professionelle Tänzer im Zusammenhang mit der Mobilität zu sein. Er ist ein gewerkschaftliches Solidaritätsnetz für Tänzer im Ausland. Tänzerinnen und Tänzer, die in ihrem Heimatland Mitglied einer Gewerkschaft sind, können während eines kurzen Arbeitsaufenthalts in einem europäischen Land, in dem es eine teilnehmende Gewerkschaft gibt, die Unterstützung und die Dienste der örtlichen Gewerkschaft in Anspruch nehmen.“

Hier geht es zu den Angeboten des Dance Passports.


Weiterbildungsangebote für Mitglieder

SzeneSchweiz unterstützt Ihre Weiterbildung mit folgenden Angeboten:

CHF 100: Individuelle Weiterbildung für Mitglieder, sofern sie einen beruflichen Hintergrund hat. Eine entsprechende Bestätigung muss eingesendet werden. Diese Unterstützung ist einmalig und kann nicht mit anderen Angeboten (Kulturmarkt und Gesang) kumuliert werden.

CHF 200: Stay tuned – Coaching in Kooperation mit dem Kulturmarkt

Ein neues Angebot für alle festangestellten und freischaffenden SzeneSchweiz-Mitglieder, die NICHT beim RAV angemeldet sind. Diese Angebot richtet sich an Mitglieder pro Jahr für ein individuelles Coaching beim Kulturmarkt. Diese Unterstützung ist einmalig und kann nicht mit anderen Angeboten (individuelle Weiterbildung und Gesang) kumuliert werden.

CHF 200: Training mit KorrepetitorInnen pro Mitglied und Jahr – gilt für alle festangestellten und freischaffenden SängerInnen, die NICHT beim RAV angemeldet sind. Sänger*innen haben die vornehme Pflicht, ihre Stimme stets im Training zu halten, ob für das Vorsingen oder für das bevorstehende Engagement: Sechs KorrepetitorInnen stehen in Basel,  St. Gallen und Zürich zur Verfügung (1 Std. zu CHF 80). Für die gebuchten Stunden muss eine Bestätigung eingereicht werden, das Angebot gilt einmalig und kann nicht mit anderen Angeboten kumuliert werden.

D und F | Suisseculture: Finanzbeschlüsse des Bundesrats vom letzten Freitag

Version français ci-dessous

Der Bundesrat verkauft Kürzungen als Wachstum!

Zürich, den 13.3.2023

Mit den am Freitag veröffentlichten Eckwerten für das Zielwachstum mehrjähriger Finanzbeschlüsse kürzt der Bundesrat in unverantwortlicher Weise die Budgets für notwendige Investitionen, unter anderem in der Kultur massiv. Damit verunmöglicht er der Branche, die Herausforderungen nach der Pandemie angehen zu können.

Es ist unbestritten, dass der Kulturbereich von der Pandemie besonders hart getroffen wurde und sich jetzt in einer Erholungsphase befindet. Kulturschaffende und -unternehmen müssen nach wie vor ums wirtschaftliche Überleben kämpfen. Nicht zuletzt dank den gemeinsamen Anstrengungen von Branche, Publikum und öffentlicher Hand konnte trotz enormer Schwierigkeiten bis anhin ein substantieller Verlust an kultureller Vielfalt verhindert werden. Dass nun, inmitten der Wiederaufbauphase, schmerzliche Kürzungen vorgenommen werden sollen, ist absolut unverständlich. Denn mit diesen Kürzungen laufen wir Gefahr, die Unterstützungsanstrengungen der letzten Jahre wieder zunichtezumachen.

Was in der Medienmitteilung des Bundesrates als «temporärer Rückgang» des Wachstums bezeichnet wird, bedeutet in Zahlen für das Jahr 2024 Kürzungen des Budgets um 2%. Kürzungen, welche die Kultur im schlechtmöglichsten Zeitpunkt treffen. Die nun vorgegebene Obergrenze für das Zielwachstum der Finanzbeschlüsse für die Jahre 2025–2028 wird im Bereich Kultur vom Bundesrat auf 1,2% festgesetzt. Das Zielwachstum gleicht damit die Kürzungen von 2024 bei Weitem nicht aus. So können weder die Herausforderungen für den Kulturbereich in Angriff genommen noch die Teuerung kompensiert werden. Der Bundesrat streicht das Budget für die Kultur für die nächsten fünf Jahre massgeblich zusammen und gibt so ein falsches Signal.

Tatsache ist, dass auch in der Schweiz in nächster Zukunft von der grössten Teuerung seit Jahrzehnten ausgegangen werden muss. Zu einem Zeitpunkt, da über einen Teuerungsausgleich von mehreren Prozenten auf die Lohnsumme verhandelt wird, ist eine Kürzung der Kulturausgaben (die zum allergrössten Teil direkt in Lohnzahlungen fliessen) nicht vertretbar. Vielmehr wäre es an der Zeit, nachhaltige Massnahmen zur Verbesserung der sozialen Sicherheit für Kulturschaffende einzuleiten – mit entsprechenden Anpassungen in den Vorsorgesystemen der ersten und zweiten Säule. Diese betreffen nicht nur den Kulturbereich, sondern alle «prekären» Arbeitsformen, also befristet Angestellte, mehrfach Beschäftigte, teilweise Selbstständigerwerbende oder auch Personen in arbeitgeberähnlichen Positionen. Hier besteht akuter branchenübergreifender Handlungsbedarf!

Im Mai 2023 wird der Vernehmlassungsentwurf der Kulturbotschaft 2025–2028 vorliegen mit konkreten Massnahmen für die verschiedenen Förderbereiche. Dann wird bekannt werden, welche finanziellen Mittel für die nationale Kulturförderung 2025–2028 zur Verfügung gestellt werden sollen. Angesichts der Herausforderungen, die der Kultursektor insbesondere nach der Pandemie zu meistern hat, und unter Berücksichtigung der Inflation ist nicht eine Kürzung, sondern vielmehr eine Erhöhung des Kulturbudgets unumgänglich.

Die Kulturschaffenden der Schweiz können nicht nachvollziehen, was den Bundesrat zu diesen Kürzungen im Kulturbereich veranlasst hat. Sie rufen das Parlament auf, die für das Überleben der Branche dringend notwendigen Korrekturen am Budgetvorschlag des Bundesrates vorzunehmen.

 

Für weitere Auskünfte:

Alex Meszmer, Geschäftsleiter Suisseculture alexmeszmer@suisseculture.ch, 043 322 07 30

Omri Ziegele, Präsident Suisseculture oziegele@gmx.ch; 076 462 42 96


Le Conseil fédéral fait passer des réductions pour de la croissance!

Zurich, le 13.3.2023

En publiant vendredi les chiffres clefs sur les taux de croissance cibles pour les arrêtés financiers pluriannuels, le Conseil fédéral propose une réduction massive et irresponsable des budgets d’investissements nécessaires, notamment dans la culture. Il empêche ainsi le secteur de relever les défis qui se posent après la pandémie.

Il y a consensus pour dire que le secteur culturel a été particulièrement touché par la pandémie et qu’il se trouve à présent dans une phase de récupération. Les acteurs/actrices et entreprises culturel·les luttent aujourd’hui encore pour leur survie économique. Jusqu’à présent, en dépit d’énormes difficultés, et grâce aux efforts du secteur, du public et des pouvoirs publics, on a pu éviter une perte substantielle de la diversité culturelle. Il est absolument incompréhensible d’effectuer maintenant des coupes douloureuses alors qu’on se trouve justement en pleine phase de reconstruction. Ces réductions risquent de réduire à néant les efforts de soutien de ces dernières années.

Dans son communiqué de presse, le Conseil fédéral indique que ces taux de croissance « devraient baisser temporairement en 2024 », ce qui se traduit en chiffres par des réductions de 2 % du budget. Ces coupes touchent la culture au plus mauvais moment possible. Le Conseil fédéral a fixé à 1,2 % la limite supérieure de la croissance visée par les arrêtés financiers pour les années 2025-2028 dans le domaine de la culture. Les taux de croissance cibles ne compensent donc pas, et de loin, les réductions de 2024 et ne permettent pas de relever les défis posés au secteur culturel ni de compenser le renchérissement. Le Conseil fédéral réduit considérablement le budget de la culture pour les cinq prochaines années ; c’est un mauvais signal.

On sait que l’avenir nous réserve le renchérissement le plus important que l’on ait vécu, en Suisse également, depuis des décennies.. À l’heure où une compensation du renchérissement de plusieurs pour cent est négociée sur la masse salariale, une réduction des dépenses culturelles (dont la plus grande partie est directement affectée au paiement de salaires) n’est pas défendable. Il serait plutôt temps d’introduire des mesures durables d’amélioration de la sécurité sociale des acteurs/actrices culturel·les — avec des adaptations adéquates dans les systèmes de prévoyance du premier et du deuxième pilier. Cela ne concerne d’ailleurs pas seulement le secteur culturel, mais aussi toutes les formes de travail « précaires », à savoir les personnes employées à durée déterminée, les personnes ayant des emplois multiples, les personnes partiellement indépendantes ou encore les personnes occupant des positions assimilables à celles d’un employeur. Il y a là un urgent besoin d’agir avec une vision intersectorielle!

Dès mai 2023, le projet de Message culture 2025-2028 sera en consultation avec des mesures concrètes pour les différents domaines d’encouragement. On saura alors quels moyens financiers seront mis à disposition pour l’encouragement de la culture 2025-2028 au niveau fédéral. Au vu des défis que le secteur culturel doit relever, notamment après la pandémie, et compte tenu de l’inflation, il ne convient actuellement pas de réduire le budget de la culture, mais plutôt de l’augmenter.

Les acteurs et actrices culturel·les suisses ne comprennent pas ce qui a poussé le Conseil fédéral à procéder à ces coupes dans le secteur culturel et appellent le Parlement à apporter au projet de budget du Conseil fédéral les corrections urgentes nécessaires à la survie de la branche.

Contacts:

Alex Meszmer, secrétaire général de Suisseculture, alexmeszmer@suisseculture.ch, 043 322 07 30

Omri Ziegele, président de Suisseculture, president@suisseculture.ch, 076 462 42 96

 

Neues im März

Nachwuchsförderung Darstellende Künste

Ausschreibung «COMPASS» von Pro Helvetia

Nachwuchs-Compagnien können innerhalb der Schweiz von zahlreichen Plattformen für erste Werke oder Kurzstücke profitieren oder an nationalen Residenz- und Tourneeformaten teilnehmen. Für die internationale Arbeit fehlt es jedoch oft an Know-how, um eine Tournee professionell zu verhandeln und zu organisieren. Zudem fehlen die finanziellen Mittel, um eine stabile Struktur innerhalb der Compagnie und eine längerfristige Strategie aufzubauen.

COMPASS ermöglicht jährlich vier Compagnien, in Zusammenarbeit mit erfahrenen Personen oder Institutionen internationale Tourneen zu planen, ihre internationale Vernetzung zu stärken, eine Tourneestrategie zu entwickeln und sich entsprechend strukturell aufzustellen. Dafür werden pro Compagnie CHF 25’000 pro Jahr zur Verfügung gestellt. Die Förderung ist auf maximal zwei Jahre angelegt. Die Compagnien können sich für ein Jahr oder direkt für zwei Jahre bewerben.

COMPASS richtet sich an Schweizer Nachwuchs-Compagnien, die ihren Arbeitsschwerpunkt in der Schweiz haben und bereits von Pro Helvetia für Gastspiele unterstützt wurden.

Eingabetermin ist der 1. April via Formular.

Pro Helvetia launches measure to support co-creation

With a view to strengthening intercultural and transdisciplinary exchange, Pro Helvetia is launching two new measures of support. The co-creation grant is aimed at productions made in collaboration between artists from Switzerland and around the world. «Synergies» is an open call to foster programmes in the intersection of art, science, and technology involving organisations in Switzerland and across the world. «Synergies» offers support for international collaborations, such as fellowships, residencies, think tanks, and hackathons. The open call encourages programmes that spark new approaches, methodologies and connect knowledge from different contexts.

Hier geht es zur Kategorie „Call for Applications“.


Tanzfest 2023: Die Ausschreibung für Dance on Screen läuft:

Beim Tanzfest 2023 wird in zahlreichen Städten ein spannendes Programm an schweizerischen und internationalen Tanzfilmen präsentiert. Die Auswahl der Filme erfolgt aufgrund einer Ausschreibung, welche von Dance on Screen in Zusammenarbeit mit dem Amsterdamer Tanzfilm-Festival Cinedans lanciert wird. An der Auswahl der Schweizer Filmbeiträge ist auch die Stiftung SAPA, Schweizer Archiv der Darstellenden Künste beteiligt. Die Schweizer Filme werden im Rahmen der 18. Ausgabe des Tanzfests vom 10. bis 14. Mai 2023 sowie im Rahmen von Zürich tanzt gemeinsam mit internationalen Tanzfilmen gezeigt.

Tanz- und Filmschaffende sind ab sofort aufgerufen, ihre Tanzfilme einzureichen.
Eingabeschluss ist der 12. März 2023.


Open Call – Stipendiatsprogramm des Schweizer Theatertreffens 2023

Mit dem Forum junger Theaterschaffender schreibt das Schweizer Theatertreffen ein fünftägiges Stipendienprogramm aus, mit dem der Theaternachwuchs aus allen Landesteilen gefördert wird. Das Programm erlaubt 15 Stipendiatinnen und Stipendiaten bis 35 Jahre, das gesamte zehnte Schweizer Theatertreffen (31. Mai – 04. Juni 2023 im Kanton Freiburg) fragend und kritisch zu begleiten.

Die Ausschreibung richtet sich an junge Theaterschaffende aus den Professionen Regie, Schauspiel, Dramaturgie, Ausstattung, Performance, Theaterwissenschaft, Hörspiel, Video, Schreiben, Musik, Theaterpädagogik und weiteren künstlerischen Disziplinen. Ausdrücklich zur Bewerbung aufgefordert werden zudem Studierende von Kunsthochschulen und kunstwissenschaftlichen Fächern.

Bewerbungsfrist: 28. April


StuFFNeue Materialzyklen für Theater online ab 2. April 2023.

StuFF ist ein Open Source Projekt, initiiert durch Barbara Ehnes (Bühnenbildnerin und Professorin für Bühnen- und Kostümbild HfBK Dresden) und Nadia Fistarol (Bühnenbildnerin und Leiterin des Praxisfeldes Szenischer Raum an der ZHdK Zürich), mit und für alle engagierten Theaterschaffenden und -studierenden.

StuFF erwirkt zusammen mit allen Theaterschaffenden ein vermehrt ökologisches und nachhaltiges Denken, Forschen und Handeln in den Darstellenden Künsten. Bestehendes Wissen wird gebündelt, weiterentwickelt und verbreitet, um die Schwelle zu nachhaltigem Handeln niedrig zu halten. Erstellt wird eine Webseite als Open-Source-Katalog für umweltfreundliche Materialien und wiederverwendbare Strukturen, um den Wegwerfkreislauf in Theatern zu beenden. Der Stand der Forschung und aktuelle Diskurse werden auf der langfristig geplanten Plattform geteilt, Materialzyklen erforscht und Engagierte in der Schweiz, im deutschsprachigen Raum und europaweit vernetzt.

Julia Schiwowa – Opernsängerin und Wegbereiterin

Ensemble trifft die selbständige Sängerin Julia Schiwowa zum Interview, und spricht mit ihr darüber, wie sie ihre berufliche Tätigkeit und ihr persönliches Umfeld gekonnt unter einen Hut bringt und dabei feministische Werte vertritt. Sie kommt ursprünglich aus dem Zürcher Seefeld, lebt aber seit vielen Jahren in Thalwil mit ihrem Mann, der als Fotograf arbeitet und ihren zwei Kindern (13 und 11).

Schiwowa hat seit Ende 2019 den mutigen Schritt in die Selbständigkeit gewagt – kurz bevor die Pandemie einsetzte und auch ihr Vorhaben auf den Kopf gestellt hat. Sie war davor in Teilzeit Geschäftsführerin des Singstimmzentrum Zürich in Schlieren. Ursprünglich als klassische Opernsängerin und Sopranistin an der Zürcher Hochschule der Künste und im Schweizer Opernstudio ausgebildet, hat sie sich seit Abschluss ihres Studiums auch immer dem Chanson und anderen Stilrichtungen der Unterhaltungsmusik gewidmet. Diese „zweigleisige“ Laufbahn sei zu ihrem persönlichen Arbeitsstil geworden, so Schiwowa.

Seit 2019 hat sie ein Musiktheaterduo menze&schiwowa mit der Bayerischen Cellistin Lucia Schneider-Menz, mit welcher sie eigene Musiktheaterprogramme schreibt. Im neuen Programm „Wer hätte das gedacht?“ haben sie Musiktheater verdichtet und so treten neben den Künstlerinnen zwei lebensgrossen Klappmaul-Puppen auf. Die Arbeit mit den Puppen hat eine neue künstlerische Ausdrucksweise in ihr Schaffen gebracht. Schiwowa hatte diesen Dezember zudem ihr eigenes Weihnachtsprogramm „Törli uf, Törli zue“ herausgebracht. Daneben singt sie in verschiedenen Opernproduktionen und ist in diversen klassischen Werken zu hören.

Ursprünglich war nicht geplant, dass sie diese unterschiedlichen Stimmrichtungen in ihrer beruflichen Karriere vereint, da dies auch stimmtechnische Herausforderungen mit sich bringt.

Julia Schiwowa, Opernsängerin

Ursprünglich war nicht geplant, dass sie diese unterschiedlichen Stimmrichtungen in ihrer beruflichen Karriere vereint, da dies auch stimmtechnische Herausforderungen mit sich bringt. Sie muss stets ihre Stimmmuskulatur umtrainieren zwischen den Auftritten verschiedener Stile – „Das ist am ehesten mit einer Sportlerin zu vergleichen, die mehrere Sportarten gleichzeitig betreibt“, sagt Schiwowa und lacht. Als Sopranistin singt sie beispielsweise ungefähr eine Oktave höher als bei den Chansons, ausserdem benutzt sie dort mehrheitlich ihre Bruststimme, in der Klassik hingegen fast nie. Ihre Erfahrung damit kann sie im Rahmen ihrer Arbeit am Singstimmzentrum mit anderen Singenden teilen. Dort werden Leute mit Stimmproblemen betreut.

Damals während der Pandemie wollte sie aktiv etwas tun und ihre Leidenschaft einsetzen, hätte aber nie gedacht, dass online ein solches Gemeinschaftsgefühl entstehen würde.

Im Lockdown kam bei Julia Schiwowa Panik auf, da Singen und somit ihr Beruf auf einmal verboten war. Aus der spontanen Idee eines täglichen Einsingens mittels eines Live-Streams auf Youtube begann die Geschichte von „Einsingen um 9“. Am 23. März 2020 ging sie mit ihrer Sängerkollegin Barbara Böhi damit online – aus der Idee wurde ein Run! Am 3. Tag waren über 1000 Leute live dabei. Seither ist kein einziger Tag vergangen, an dem nicht gemeinsam auf Youtube eingesungen wurde. Am 17. Dezember 2022 kam nun die 1000. Folge heraus. Alle Folgen sind online verfügbar und werden fast alle live gestreamt. Sie beinhalten 35 Minuten Einsingen, verschiedene Stimme und Körperübungen und danach noch ein einfaches Lied oder einen Kanon. Für Schiwowa war und ist „Einsingen um 9“ sehr sinnstiftend, damit können die mittlerweile vier EinsängerInnen vielen singfreudigen Menschen einen positiven musikalischen Start in den Tag zu ermöglichen, ihnen Struktur schenken und auch oftmals ein wenig die Einsamkeit mindern.

Es geht immer darum, gemeinsam etwas singend etwas zu erschaffen, es wird nicht nur konsumiert.

Damals während der Pandemie wollte sie aktiv etwas tun und ihre Leidenschaft einsetzen, hätte aber nie gedacht, dass online ein solches Gemeinschaftsgefühl entstehen würde. Gekrönt wurde dieses mit zwei Mitsing-Events im 2022, die im Volkshaus Zürich (Das Grosse Singen) und im offenen St. Jakob (Das Grosse Weihnachtssingen) stattfanden. Zweimal waren die Säle gefüllt, die Leute sind sogar aus Deutschland angereist, um gemeinsam einzusingen. „Es geht immer darum, gemeinsam etwas singend etwas zu erschaffen, es wird nicht nur konsumiert“, meint Schiwowa. Schiwowa, die ihren Sohn gleich nach dem Studium bekam, hatte gesellschaftlich quasi „alles falsch gemacht“. So bekam sie entsprechend auch kaum Mutterschaftsgeld und sie hatte latent das Gefühl, immer alles „trotzdem“ zu tun, trotz Systemen, in die sie einfach nie hineinpasste. Dank ihren eigenen Projekten hat sie sich über die Jahre ihre Musikwelt erschaffen und kann davon als selbständige Künstlerin mit Familie leben.

Zur Berufssituation für Frauen sagt sie „Wir sind noch nirgends!“ – vieles sei noch unterschwellig an Ungleichheiten vorhanden und es gebe deshalb einen triftigen Grund, warum sie ihren eigenen Weg gegangen ist und eigene Konstellationen aufgebaut hat.

Das sei eher der „harte“ Weg, den sie seit 15 Jahren geht. Aber mittlerweile ist sie sehr dankbar, dass sie diesen Weg so gegangen ist, denn heute hat sie überall tolle Teams mit hervorragenden Leuten, pflegt mit ihnen eine funktionierende offene Kommunikation und einen respektvollen Umgang. Was will man mehr? Zur Berufssituation für Frauen sagt sie „Wir sind noch nirgends!“ – vieles sei noch unterschwellig an Ungleichheiten vorhanden und es gebe deshalb einen triftigen Grund, warum sie ihren eigenen Weg gegangen ist und eigene Konstellationen aufgebaut hat. Es wäre schön, sich auszutauschen unter Führungsfrauen im Musikbusiness, Frauen, die Bands leiten oder auch Touren organisieren und durchführen. Denn es gibt wenige, die alles gleichzeitig machen.

Ensemble Magazin bedankt sich bei Julia Schiwowa für das inspirierende Gespräch und ist beeindruckt von ihrem mutigen Weg, den sie geht!

„Workshop: Vorbereitung auf ein Casting“ Interview und Eindrücke

Am 28. November und 5. Dezember organisierte das Büro von ScèneSuisse in der Romandie zwei Workshops mit David Baranes zum Thema „Comment mieux appréhender son casting“, die bei den Teilnehmer*innen ein voller Erfolg waren.

Text von Viviane Bonelli

Viviane Bonelli nutzte die Gelegenheit, um dem Referenten David Baranes einige Fragen zu stellen:

Wie haben Sie den ersten Tag mit den Schweizer Schauspieler*innen verbracht?

Es war das erste Mal, dass ich in die Schweiz gekommen bin, um den Workshop anzubieten, den ich sonst  nur in Frankreich anbiete. Alles in allem war es eine sehr angenehme Erfahrung, die Schauspieler*innen waren sehr aufnahmefähig und hörten zu. Ich bin wirklich begeistert von dieser Begegnung und wurde zudem sehr freundlich empfangen.

Haben Sie vor, die Künstler*innen, die Sie in der Schweiz gesehen haben, ein weiteres Mal einzusetzen?

Ja, ich werde an einem Film arbeiten, der in Deutschland und Frankreich zur Zeit des Zweiten Weltkriegs spielt. Dafür brauche ich Schauspieler*innen, die einen deutschen Akzent haben und die beide Sprachen sprechen. Es war eine tolle Überraschung, dass die Schweizer Schauspieler*innen grösstenteils zweisprachig sind. Man denkt im ersten Moment, im Vergleich zu deutschen Schauspieler*innen, nicht unbedingt daran.

Was hat Sie an diesem Tag am meisten beeindruckt?

Die Motivation der Schauspielern*innen aus der Schweiz, die ihre Karriere außerhalb des Landes entwickeln.

Ich fand es gut, Personen mit deutscher Muttersprachen auf Französisch spielen zu sehen.

David Baranes, Casting-Direktor

Was ist für Sie der grundlegende Unterschied zwischen französischen Schauspielerinnen und Schauspielern?

Ich frage mich, ob es den oder die typische Schweizer Schauspieler*in gibt? Sie wirken generell zwar etwas ernster, hatten ihre Texte aber sehr gut gelernt und es war sehr angenehm mit ihnen zu arbeiten. Ich fand es gut, Personen mit deutscher Muttersprachen auf Französisch spielen zu sehen.

Würden Sie wieder in die Schweiz kommen?

Ja, natürlich gerne.

Was haben Ihnen die Genfer Schauspieler*innen gebracht?

Energie und Lust zu arbeiten.

Was hat Sie an den zwei Tagen des Workshops in der französischsprachigen Schweiz am meisten positiv überrascht?

Die Motivation der Schauspieler und die Lust, zu experimentieren und ihre Grenzen zu öffnen.

Es ist ein Hype, der gerade erst entsteht und nach Ausdruck verlangt – ein Markt, der nur darauf wartet, zu explodieren.

Sie sprechen von der Begeisterung des französischen Marktes für belgische Schauspieler, wie denken sie über die Zukunft von Schweizer Schauspieler*innen auf dem Französischen Markt nach?

Es ist ein Hype, der gerade erst entsteht und nach Ausdruck verlangt – ein Markt, der nur darauf wartet, zu explodieren. Dieser Reflex ist quasi vorgezeichnet, den es in Frankreich so noch nicht gibt. Man denkt in erster Linie ausserhalb Frankreichs an belgische Schauspieler*innen, aber nicht direkt an die Schweiz. Einen französischen Casting-Direktor einzuladen, ermöglicht es uns zu zeigen, dass es hier Schauspieler*innen gibt, die es zu entdecken gilt. Die Schweiz ist in der Distanz von Frankreich nicht weiter entfernt als Belgien. Wenn wir diese Workshops also weiter ausbauen, werden wir voraussichtlich den Schweizer Markt in Paris entwickeln. Warum sollten die Belgier eine Chance haben und nicht auch die Westschweizer? Beide sprechen Französisch.

Hatten Sie eine positive Überraschung oder eine Entdeckung unter all diesen Schauspieler*innen?

Ja, ich habe mehrere entdeckt und insbesondere eine Schauspielerin hat sich deutlich von der Masse abgehoben.

Wenn Sie nach Paris zurückkehren, wie würden Sie dieses für Sie neue Casting-Gebiet Schweiz beschreiben?

Was die Infrastruktur und die Organisation betrifft, ist es sehr geordnet. Zudem würde ich verbreiten, dass die Schweiz ein echtes Potenzial an Schauspieler*innen zu bieten hat, das nur darauf wartet, entdeckt zu werden. Schweizer Schauespieler*innen, das klingt exotisch! Wenn wir buntgemischte Castings machen, suchen wir überall in Frankreich und Belgien, aber eben bisher nicht in der Schweiz. Ich werde die Dringlichkeit betonen.

Sie sprechen zu Beginn des Workshops gerne über Ihre Anekdoten, warum?

Das sind Anekdoten, um zu erklären, wie ein Casting-Direktor auf diese/n und jene/n Schauspieler*in zugeht, um den/die Richtige zu finden. Sie erklären auch, wie man besser an das Casting herangeht, um eine Rolle zu bekommen!

Was Viviane Bonelli am meisten beeindruckt hat, ist, dass David Baranes ein wohlwollender Casting-Direktor ist, dem die Schauspieler*innen am Herzen liegen. Und was hielten die Schauspieler*innen von ihm?

„Davids Persönlichkeit war genau richtig für das Casting, er hat die Schauspieler*innen spielen lassen und ist ihnen mit viel Respekt und Ermutigung entgegengetreten (was meiner Erfahrung nach bei weitem nicht immer der Fall ist…). Außerdem war es toll, Kolleg*innen zu treffen und Zeit mit ihnen zu verbringen, die ich nicht kannte.“ Mathieu Z.

„Zunächst möchte ich dir dafür danken, dass du diesen Workshop möglich gemacht hast. Ich habe diese Zeit der Arbeit und der Begegnungen sehr genossen. Es wäre schön, wenn wir wieder
Workshops wie diesen mit Casting-Direktoren aus Frankreich oder der Westschweiz veranstalten können.“ Délia A.

 

Strafverfahren abgeblitzt – SzeneSchweiz im Recht

Im Frühling 2021 wurde gegen die Geschäftsführerin von SzeneSchweiz, Salva Leutenegger, Strafanzeige wegen Nötigung und Widerhandlung gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb eingereicht. Anzeigeerstattende waren nebst einer schillernden Casterin deren als Kapitalgesellschaft statuierte Casting-Firma.

Wie jede Strafanzeige zog die Anzeige die Eröffnung eines Strafverfahrens nach sich, die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl nahm die Ermittlungen auf. Die Anzeige war mit zwei Begebenheiten begründet worden: Erstens habe Salva Leutenegger die Casterin wiederholt aufgefordert, sich an die Branchenrichtlinien betreffend Gagen und Buy-outs einzuhalten und auf eine faire Geschäftspraxis umzusteigen, weil sie sich sonst gezwungen sähe, die Mitglieder von SzeneSchweiz, die Branche und die Öffentlichkeit vor der Geschäftspraxis der Casting-Firma zu warnen. Zweitens habe sie eine E-Mail an diverse Schauspielschulen versandt, in welchem sie die Arbeit der Casterin als unseriös bezeichnete.

Verfahren eingestellt

Diesen Herbst stellte die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren ein. Die zuständige Staatsanwältin verwarf sämtliche Vorbringen der Anzeigeerstattenden (in den nachstehenden Zitaten «Privatklägerschaft») mit deutlichen Worten. So führte sie zum Vorwurf der Nötigung unter anderem aus:

«Im vorliegenden Mailschreiben […] weist die Beschuldigte auf die Gagenrichtlinien hin und fordert Einhaltung der Mindestgagen und Buyouts. Damit bewegt sich der Berufsverband im Rahmen seiner satzungsmässigen Aufgaben und vertritt die beruflichen und wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder […]. Auch kann es nicht per se unerlaubt sein, als Berufsverband zur lnteressenwahrung publik zu machen, dass die Privatklägerschaft die in den Richtlinien des SBKV [heute: SzeneSchweiz] vorgesehenen Mindestgagen unterbiete […]. Der strafrechtliche Schutz geht nicht so weit, dass niemand der Privatklägerschaft ihre Geschäftspraxis entgegenhalten dürfte, auch ist sachliche Kritik in der Öffentlichkeit grundsätzlich erlaubt.»

Und weiter:

«Der Zweck dieser Mailschreiben liegt damit vorwiegend darin, von der Privatklägerschaft ‚eine Stellungnahme zu den erwähnten Punkten zu erhalten und in einen Austausch zu treten. Anlass scheinen Beanstandungen mehrerer Verbandsmitglieder zu sein, wobei es durchaus Aufgabe eines Branchenverbandes ist, solchen Hinweisen nachzugehen und betroffene Kreise darüber zu orientieren.»

Zum Vorwurf der wettbewerbsrechtlichen Herabsetzung hielt die Staatsanwältin fest, dass die Nachricht an Schauspielschulen, worin diese aufgefordert werden, nur mit seriösen Anbieter*innen zusammenzuarbeiten weder völlig sachfremd noch unsachlich sei. Auch dieser Tatbestand sei folglich nicht erfüllt.

Die Einstellungsverfügung ist rechtskräftig. Die Anzeigeerstattenden haben dagegen kein Rechtsmittel erhoben.

Bewertung aus Sicht von SzeneSchweiz und anderer Berufsverbände

Der Versuch der betreffenden Casterin, den Widerstand durch einen von Mitgliedern eingeschalteten Berufsverband mittels Strafanzeige gegen die Geschäftsführerin zu brechen, ist in vielerlei Hinsicht problematisch.

  • Erstens entfaltet eine Strafanzeige kurzfristig immer eine hemmende, einschränkende Wirkung für den betroffenen Verband und noch mehr für die betroffene Person. Wer eine Vorladung der Staatsanwaltschaft oder der Polizei als beschuldigte Person erhält, ist zunächst mal verunsichert. Solange das Strafverfahren läuft, überlegt sich die betroffene Person zweimal, ob sie wie gewohnt bei der fehlbaren Agentur interveniert.
  • Zweitens wird mit einer Strafanzeige immer auf die Frau bzw. die Person gespielt. Das Strafrecht adressiert immer zunächst die ausführende natürliche Person. Ein Verband bzw. die juristische Person wird bis auf wenige Ausnahmen nur belangt, falls ein Tatvorwurf keiner natürlichen Person zugerechnet werden kann. Macht die angezeigte Person wie in diesem Fall einfach nur ihre Arbeit, trifft sie die Strafrechtskeule dennoch als Privatperson. Es geht um ihren Leumund, sie wird persönlich als Beschuldigte einvernommen, ihr droht im Falle einer Verurteilung die Strafe.
  • Drittens tragen die Anzeigeerstattenden kein Risiko. Die Kosten für das Strafverfahren – wie aussichtslos auch immer es ist – trägt der Staat. Erst das Rechtsmittelverfahren, konkret die Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung, ist mit einem Kostenrisiko für die Privatklägerschaft verbunden.

Das klare Ergebnis des Strafverfahrens und die klaren Aussagen der Staatsanwältin bestätigen, dass die Geschäftsleitung von SzeneSchweiz mutig und richtig gehandelt hat. Dennoch bleibt aufgrund dieser Punkte ein schaler Nachgeschmack.

Umso wichtiger erscheint es, den Zweck des Berufsverbandes hochzuhalten, sich für seine Mitglieder einzusetzen, insbesondere auf fehlbare Arbeitgebende und Castig-Agenturen einzuwirken: sachlich, bestimmt, mit klaren Worten. Denn das hier beschriebene Strafverfahren hat wenigstens das gezeigt: Jeder muss sich seine Geschäftspraxis entgegenhalten lassen.

In diesem Sinne: wir bleiben für Sie dran!

Neue Meldungen schweizweit: Kulturprekariat und Stellenmeldepflicht

Im Bericht „Reiche Chefs, arme Tänzerinnen“ im Bund (19. November 2022) werden die Löhne in der Kulturbranche angesprochen. In der Berner Kulturbranche sind erstmals die Jahressaläre von Direktorinnen und Intendanten öffentlich. Die grosse Frage: Sind diese gerechtfertigt?

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Warum die Löhne der Kulturspitze schweizweit nicht öffentlich sind, obwohl die Institutionen Subventionen in Millionenhöhe beziehen, hat laut Salva Leutenegger vom Berufsverband der darstellenden Künste SzeneSchweiz unter anderem politische Gründe. Da die Beiträge an die Kultur von bürgerlicher Seite regelmässig kritisiert werden, seien die Subventionsgeber unter Druck. «Die Löhne werden wohl auch deshalb unter Verschluss gehalten.»

«Branchenüblich» – wer die grossen Kulturinstitutionen in Bern zu den Löhnen ihrer Chefs und Chefinnen befragt, erhält ohne Ausnahme dieses Wort als Antwort. Zusammen mit: «Der Lohn ist angemessen.»

Salva Leutenegger, Verband der darstellenden Künste SzeneSchweiz

Kritik kommt aber häufig nicht bezüglich der höchsten Löhne. Sondern vor allem bezüglich der niedrigsten – und der grösser werdenden Lohnschere. Aktuell betragen die Mindestgagen für Festangestellte bei Bühnen Bern etwa für eine 100-Prozent-Stelle 54’600 Franken.

Vielfach müssen Kulturschaffende aber mit deutlich weniger auskommen: So haben sechs von zehn ein Gesamteinkommen von weniger als 40’000 Franken im Jahr – bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 45 Stunden, so eine Studie. Vielen drohe die Altersarmut. Dafür befragte das Forschungsbüro Ecoplan im Auftrag des Vereins Suisseculture Sociale und der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia rund 10 Prozent aller Kulturschaffenden in der Schweiz. Auffallend wenig, sagt Salva Leutenegger vom Berufsverband der darstellenden Künste, verdienen Tänzerinnen und Tänzer.

Was in der darstellenden Kunst besonders wichtig sei: «Schafft es ein Haus, eine bekannte Person anzustellen, kriegt es nachweislich mehr Publikum, mehr Aufmerksamkeit, mehr Erfolg.»

Salva Leutenegger, Berfusverband der darstellenden Künste SzeneSchweiz

Als Hauptgrund, dass die grossen Häuser verhältnismässig tiefe Mindestlöhne zahlen, werde oft die Höhe der Subventionsbeiträge genannt, so Leutenegger – man müsse mit den Geldern arbeiten, die man erhalte.

Lange waren die Löhne bei den Kulturhäusern unter Verschluss, seit diesem Jahr gelten aber im Kanton Bern neue Richtlinien für öffentlich finanzierte Betriebe: Die Vergütungen in den Chefetagen müssen transparent gemachtwerden. Zu den grossen Institutionen, die diese nun ausweisen, gehören Bühnen Bern (220’000 Franken für Intendant Florian Scholz), das Kunstmuseum Bern mit dem Zentrum Paul Klee (248’000 Franken für Direktorin Nina Zimmer) und das Historische Museum (206’700 Franken für Direktor Thomas Pauli-Gabi).

Fairerweise müsste man alle Löhne und Honorare prüfen, die mit öffentlichen Geldern finanziertwerden. «Es kann nicht sein, dass man die Lohnhöhen in der Kultur beschränkt, aber in den anderen Bereichen keine Limiten setzt.»

Sandra Künzi, Co-Präsidentin von t. Theaterschaffen Schweiz

 

Seit April 2020, meldet SRF (16. November 2022), verteile Suisseculture Sociale Corona-Nothilfen an Künstlerinnen und Künstler – leider endet nun diese Unterstützung.

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Die Trägerin des Sozialfonds des Dachverbands der Schweizer Kulturverbände hat bislang insgesamt 32 Millionen Franken ausbezahlt. Per Ende Jahr ist Schluss damit. Viele Kulturschaffende sehen sich deshalb in einer schwierigen Lage.

Nicht nur die wirtschaftliche Lage ist prekär, sondern auch die psychische.

Nicole Pfister Fetz, Präsidentin von Suisseculture Sociale

Die atypischen Arbeitsverhältnisse der Kulturschaffenden müsse man sich genauer anschauen und prüfen, wie man die Menschen in Zukunft optimal unterstützen könne. Diese Unterstützung muss den komplexen Arbeitsverhältnissen in der Kulturbranche gerecht werden.

 

Ein Drittel der offenen Stellen werde von Firmen gar nicht angezeigt, schreibt die NZZ (16.11.2022). Der Beruf mit der höchsten Arbeitslosenquote in der Schweiz ist derzeit jener des Schauspielers.

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Auf der Liste stehen alle Berufe, die eine Arbeitslosenquote von über 5 Prozent aufweisen. Wenn Firmen Mitarbeitende in einer der aufgelisteten Berufsarten suchen, müssen sie die offenen Stellen einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) melden. Mit der Liste soll das Potenzial derinländischen Arbeitskräfte besser genutzt werden, ohne das Freizügigkeitsabkommen mit der EU zu gefährden. Die Stellenmeldepflicht besteht seit Juli 2018 und ist eine Antwort auf die Annahme der Initiative «Gegen Masseneinwanderung».

Zur Relevanz der Stellenmeldepflicht für Schauspieler sagt Silvan Gisler, Creative Director des Schauspielhauses Zürich:

Schauspiel ist ein Bereich, wo zum einen über Jahre gewachsene Arbeits- und Vertrauensbeziehungen zwischen Regie und Schauspielerinnen und Schauspielern sehr wichtig sind und zum anderen auch stets sehr spezifische Vorstellungen und damit auch Anforderungsprofile vorhanden sind.

Silvan Gisler, Creative Director des Schauspielhauses Zürich

Schauspieler seien schlecht untereinander ersetzbar, da jede Person ein eigenständiges künstlerisches Profil habe. Insofern sei aus künstlerischer Sicht die Stellenmeldepflicht zwar von geringer Relevanz – aber Teil der Gesetzgebung und des Vorgangs, den es zu respektieren gelte.