Absage mit Anstand
Mit Absagen müssen wir leben – aber lieber ein klares „Nein“ als Wischiwaschi, falsches Mitgefühl oder gar Ghosting. Den Respekt haben wir verdient, meint unsere Kolumnistin Rebekka Burckhardt.
Warum fällt es eigentlich Theaterleiter:innen, Veranstalter:innen, Regisseur:innen, Caster:innen, Dramaturg:innen, Produzent:innen oft schwer, nach einem Vorsprechen, einem Casting, einer Bewerbung, in einem zeitlich angemessenen Rahmen/Bereich eine Absage zu erteilen? Auf eine Auftrittsanfrage, ein Vorsprechen, ein Casting einen ablehnenden Bescheid zu übermitteln?
„Man kann nicht nicht kommunizieren“
( Paul Watzlawick 1969)
Warum beherrschen diese handlungsbefugten, entscheidungstragenden Personen oft das ABC nicht, welches die Personalchefs in anderen Branchen früh lernen müssen:
Anfragen beantworten
Absagen versenden
Mit Dank ablehnen
Was (zum Teufel) haben Entscheidungsträger in leitenden Positionen im Showbusiness eigentlich so Wichtiges zu tun, dass sie das Wichtigste nicht priorisieren können: Die Kommunikation mit uns spielenden, singenden, tanzenden Bühnenmenschen. Auf der Bühne oder vor der Kamera kann wenig stattfinden ohne uns. Oder habe ich da in all den Jahren irgendwas nicht verstanden?
Die vielen anderen wunderbaren und wichtigen Berufe am Theater/Oper/Ballett und im TV/Kino – nebst uns Schauspieler:innen/Sänger:innen/Tänzer:innen – existieren doch, damit wir Bühnenmenschen auf die Bühne oder vor die Kamera gehen und der Lappen hochgehen bzw. die Kamera rollen kann, oder? Richtig?
Meine Frage, seit Jahren:
Warum wird uns gegenüber dann oft so nachlässig kommuniziert? Wenn dann was kommt, dann klingt das oft so:
Mimimimiiii.
Es ist so schwer, jemandem absagen zu müssen.
Das ist so quälend.
Uuuu, wir können nicht.
Drum muss man es aufschieben und dann vergessen.
Ihr Bühnenmenschen sollt das doch verstehen.
Wir haben so viel Wichtiges zu tun.
Und es gibt so viele von Euch!
Das ist eine solche Belastung für uns!
Ihr müsst es nicht persönlich nehmen, wenn ihr nichts mehr von uns hört.
Wir können Euch leider nicht sagen, woran es liegt.
Aber bitte glaubt uns: Es hat nichts mit Euch zu tun!
Ja, genau. „Es hat nichts mit Euch zu tun!“
Womit aber dann? Und wie sollen wir es dann nehmen? Unpersönlich? In unserer Arbeit stecken unsere Persönlichkeit, unsere Gefühle, unsere Phantasie, unsere ganze Biographie. 100 Prozent Einsatz, jederzeit. Krisenfest, wendig, konfliktfähig, durchlässig, verschwenderisch.
„Danke für Deinen grossartigen künstlerischen Einsatz!“, ist eine der Floskeln, die wir zu hören bekommen. Und dann sollen wir auf Knopfdruck alle unsere Empfindungen auf Autopilot stellen: „Ich nehme nichts persönlich und verstehe, wenn ihr alle Anstands- und Verbindlichkeitsregeln der Kommunikation ignoriert.“
„Ghosting“ heisst das heute, wenn sich jemand einfach in Luft auflöst und unerreichbar ist. Wir begegnen diesem Phänomen in unserem Beruf über die Jahre immer wieder. Keine Antwort. Kein Anschluss unter dieser Nummer. Nicht mal ein Standardmail.
Dabei ist es grade heute sehr einfach. Man muss nicht mal mehr zum Telefonhörer greifen. Sag Deiner unterbezahlten Assistentin oder unbezahlten Hospitantin doch einfach, sie soll die Absage-Liste abarbeiten und das unpersönliche „Es tut uns leid, aber …“-Mail rauslassen.
Und ihr dann so: Wie bitte? Wie unmenschlich! Eine Standardmail – auf keinen Fall! Das wäre doch viel zu unpersönlich – bei uns geht es doch um Kunst! Es geht doch um Menschen! Wir sind doch nicht irgendeine Firma!
„Lieber Standard als keine Art.“
Rebekka Burckhardt
Genau. Es ist einfach, ihr Menschen in leitenden Positionen in der Kulturbranche: Lieber Standard als keine Art.
Ihr müsst uns nicht in den Arm nehmen, wenn ihr uns absagt. Formuliert einfach eine Mail und go copy paste. Klar, elegant und persönlich ist das nicht. Es ist die Basicausführung, genannt Mindestanstand gegenüber den Künstler*innen.
Was nicht geht, nie ging und nie gehen wird, ist:
Einfach nie wieder melden.
Versickern lassen.
Nicht reagieren.
Ignorieren.
Ghosten.
Chumm verzeu jitz ke süessmoscht
Das ziiet ja fäde wed’s seisch
Du verchläbsch mr dr empfänger
Du geisch mr uf e geischt
Mit dim i-wott-dr-nid-weetue-gliir
Formulier dr kene ab
Probier’s doch ganz eifach vo dr z’gä
Lad doch düre u drück ab
Kuno Lauener, Züri West
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