Inspiration? Kunst erzeugt Kunst.

Wo hockt sie, die Kreativität? Auf welchen Lockruf reagiert sie? Kolumnistin Rebekka Burckhardt fragt sich,  was die Bühnenarbeit zu so einer erfüllenden Sache macht. Denn vielleicht ist es auch nur dieser eine, ganz spezielle Moment, wenn wir ganz bei uns und Eins mit allem sind…

(Fotocredit: Renata Burckhardt bei einer Bühnenproduktion von Rebekka Burckhardt für das Theater SEM)

Kürzlich war ich Sprecherin bei einem Chorkonzert. Der Chor sang selten aufgeführte Shakespeare Vertonungen und ich las die deutschen Übersetzungen dazwischen. Es war eine für mich sehr erfüllende Angelegenheit. Die Verbindung von Musik und Sprache ist eine inspirierende Kombination und macht die meisten Bühnenmenschen glücklich.

Dazu fällt mir auch die köstliche Geschichte von Eva Brumby ein. Alte Brecht-Schauspielerin, die noch mit Helene Weigel auf der Bühne stand. Sie unterrichtete damals an meiner Schauspielschule die Anfängerklassen – ein freundlicher Mensch mit trockenem Humor und strengem Dutt. Sie stiess (wie der betagte Kollege aus meiner letzten Kolumne) in ihren späten Berufsjahren ebenfalls zu Marthalers Theatertruppe und berichtete uns von ihren Erfahrungen und anfänglichen Verunsicherungen.

«Es wird seit Wochen nur gesungen und gesungen und nach drei Stunden Proben ist Schluss und dann wird erstmal den ganzen Nachmittag lang Mittag gegessen – wann bitte fangen wir denn an, das Stück zu proben???!!!«, rief sie in ihrer Erzählung verzweifelt aus, um gleich in ihr vom Rauchen heiseres Lachen auszubrechen – sie rauchte natürlich während des Unterrichts – das waren noch Zeiten… Nach und nach aber wurde sie von der berühmten Marthaler-Magie ergriffen und überliess sich dem Flow – eine für sie neue und beglückende Erfahrung.

Gestern sah ich anlässlich der Preisverleihung des diesjährigen Meret Oppenheim-Preises ein Filmportrait der Schweizer Künstlerin Valerie Favre. Sie sprach über ihre Motivation als Künstlerin und darüber, wo und wie sie ihre Motive und Inspiration findet: Die schiere Tatsache, am Leben zu sein, sei ihre Motivation und ihr tiefes Bedürfnis, am Anfang jeden neuen Tages, etwas zu kreieren – das könne übrigens auch einfach nur ein Apfelkuchen sein.

Sie findet die Inspiration und die Motive zu ihren Bildern nicht in den sie umgebenden Objekten des alltäglichen Lebens, sondern in der Literatur, der Philosophie und der Poesie. In einem grossen Werkzyklus befasste sie sich mit Sarah Kanes Theatertexten und machte diese zum Thema ihrer Bilder. Wie muss diese Geschichte erzählt werden, was ist der Subtext? Was macht es zwingend – so lauten ihre Fragen während des Arbeitsprozesses. Es sind dieselben Fragen, die wir Theaterleute uns stellen.

Theaterstücke und Poesie sind die Inspirationsquelle einer bildenden Künstlerin. Und Bildende Kunst ist eine Fundgrube für uns Bühnenmenschen. Wie verhält sich ein Mensch in einer bestimmten Situation? Was sagt seine Körperhaltung, seine Mimik und Gestik über seinen Charakter und seine Befindlichkeit aus? Wir beobachten unsere Mitmenschen im echten Leben oder aber finden Inspiration auf den Bildern der alten Meister oder zeitgenössischer Fotografie.

So, das wär’s für heute – jetzt schaue ich weiter meiner Katze zu.

Die weiss eigentlich immer genau wie’s geht. Instinkt & Impuls, da stellt sich möglicherweise die Frage nach Inspiration nicht.

Ich frag die Mieze mal, wie sie es damit hält.

Rebekka Burckhardt arbeitet als Schauspielerin für Film & Fernsehen, in freien Theaterproduktionen und an Stadttheatern unter anderem in Berlin und Hamburg, als Regisseurin für Laiengruppen, Sprecherin für Hörbücher, Lesungen, Moderatorin und als Coach für Auftrittskompetenz. Seit der Spielzeit 2023/2024 steht sie an der Komischen Oper Berlin in „La Cage aux Folles“ als Marie Dindon auf der Bühne. Mit ihrem Solo «Tumulte Blonde – ein fast klassischer Diseusenabend» tritt sie seit ein paar Jahren in Zürich auf.

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