Grosse Bühne, kleines Geld

Gratisarbeit – Wie viel investiert man in eine Produktion? Wann fängt Ausbeutung an? Ersetzt der Erfolg die Bezahlung? Unsere Kolumnistin stellt sich Fragen zu prekärer Arbeit.
Von Stefanie Gygax

Als Künstler*innen sind wir es gewohnt, gratis zu üben, zu studieren und uns auf eigene Kosten weiterzubilden. Aber wie ist es, wenn wir für ein Projekt engagiert werden und plötzlich viel mehr Probeaufwand oder Vorbereitungszeit erforderlich ist, weil wir plötzlich am kreativen Prozess mitarbeiten?

Einerseits ist es wunderbar, interessant und bereichernd, aber andererseits sitze ich stundenlang zu Hause am Laptop und investiere in Zeit und Arbeit. Stell dir vor, du hast dir gewünscht, bei einem Projekt dabei zu sein, hast es visualisiert und nun bist du mittendrin. Von Anfang an wird klargestellt, dass nur die Aufführungen bezahlt sind. Nach und nach wirst du aber in die Entwicklung einbezogen und es wird dir mehr und mehr an kreativer Verantwortung übergeben.

Wir alle kennen diese Momente, inmitten der Probezeit wird spontan und keineswegs mit böser Absicht, gefragt: „Könntest du da bitte noch ein paar Tanzschritte einbauen? Kannst du kurz mit der Gruppe die Schritte durchgehen? Kannst du bitte noch das und das zusätzlich singen? Ah, es gibt doch noch Text dazu!“

Grenzen setzen?

Die Grenzen verschwimmen. Wenn du für die Proben bezahlt wirst, ist meist nicht festgelegt, was dies alles umfasst. Das kann in (unbewusster) Ausbeutung enden. Diejenigen, die mitspielen, sind gern gesehen, die Anderen, die sich richtigerweise wehren und sagen, „das ist nicht meine Aufgabe“, werden als illoyal gebrandmarkt.

Wie macht ihr es aber, wenn die Vorbereitungs- und Probezeit nicht bezahlt ist und nur die Aufführung zählt?
Wo setzt ihr da die Grenze?

Klarer Fall, wie: „Es muss vergütet werden oder ihr steigt aus?“
Oder: „Ein Wunsch hat sich realisiert, also muss ich alle Zeit der Welt investieren?“

Was ich in den letzten Jahren wirklich verstanden habe: Egal wie gross ein Projekt ist, egal an welchem Ort, egal wie erfolgreich… das Geld spielt IMMER eine Rolle! Egal ob als Star an der Metropolitan Opera New York oder in einer Kleinstproduktion: Das Geld ist immer knapp und es reicht nie für alle. Ich dachte, ich spinne, als ich die Werbung sah, in der die MET um Geldspenden bettelt. Aber es ist ja nicht nur das Budget alleine, es geht auch darum, wie das Geld innerhalb der Produktion verteilt wird.

Minimalismus oder Freude am Beruf?

Es gibt so viele Menschen auf dieser Welt, die ihre Arbeit nicht lieben, dafür werden sie für jede Stunde Arbeit bezahlt. Das wird nicht mal infrage gestellt. Dann gibt es andererseits Berufe, in denen einige viel Herzblut, Freizeit und Gratisarbeit einbringen, während andere nur das absolute Minimum leisten. Und das beim gleichen Verdienst.

Liegt die Entscheidung also bei jedem Einzelnen? Bin ich beliebter, wenn ich mehr Gratisarbeit investiere? Davon bin ich zu 100% überzeugt, da es auch mehr Verbindung und Vertrauen schafft in alle Richtungen! Trotzdem finde ich, man muss es irgendwo eine Grenze geben.
Wenn bei mir das Grummeln in der Magengegend immer stärker wird, merke ich, dass ich das Gespräch suchen muss und meistens kann dann die Harmonie wieder hergestellt werden.

Gleichgewicht

Damit ich glücklich bin und meinen Job auch gut machen kann, muss Aufwand und Ertrag einigermassen im Gleichgewicht sein. Auch wenn das Glücksgefühl bei einer erfolgreichen Produktion nicht in Geld aufgewogen werden kann. Letzten Monat arbeitete ich an einem Halloween-Projekt mit, das im Vorfeld sehr anstrengend und kompliziert war.  Die Shows waren dafür sowas von genial, dass alles Andere danach nicht mehr zählte.

Habt ihr auch schon solche Produktionen erlebt?
Wie oft habe ich mir schon gedacht, dass in unserem Beruf viel zu wenig für all die Energie und Zeit bezahlt wird, die wir investieren. Ich bin oft mit meinen Kräften am Limit und komme trotzdem jeden Monat gerade mal über die Runden. Eine Freundin von mir ist Anwältin und arbeitet auch am Wochenende „gratis“, am Rande der ihrer Kräfte, kann sie aber dafür fette Ferien leisten und eine Wohnung kaufen.

Ja, wir lieben unseren Beruf und nur die hartgesottenen überleben darin, aber trotzdem dürfen wir uns diese Fragen stellen und einander Mut machen, für unsere Rechte einzustehen.

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