KI-Schauspielerin Tilly sucht Agenten

Der feuchte Traum der grossen Studios: Es ist kein Wunder, dass Tilly Norwood, die erste echte KI-Schauspielerin, eine junge Frau ohne Macht und Rechte ist. Doch das wird teuer als erwartet.

Tilly Norwood ist eine von einer KI erschaffe Kunstfigur und soll in Zukunft in grossen Filmproduktionen mitspielen, wie am ZFF-Summit bekanntgegeben wurde. Ihre Schöpferin, Schauspielerin und Produzentin Eline Van der Velden, und das von ihr gegründete KI-Talentstudio Xicoia, suchen jetzt eine Agentur, um Tillys Angebot zu vermarkten.

Laut Van der Velden hat sich die Stimmung in der Branche rasant gedreht: Studios, die anfangs skeptisch waren, zeigen inzwischen ernsthaftes Interesse. KIs sind billiger, widersprechen nicht und verlangen keine Rechte. Naja, bis jetzt.

Nach einem Jahr grosser Streiks, in dem die Bedrohung durch KI in Hollywood zu den zentralen Sorgen von Schauspielerinnen und Schauspielern sowie Drehbuchautorinnen und -autoren zählte, sehen viele der grossen Studios eine Chance darin, Filme ohne Menschen zu machen.

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Prominente, darunter Melissa Barrera, haben öffentlich ihren Unmut geäussert und zum Boykott jener Talentagenturen aufgerufen, die eine KI-Schauspielerin unter Vertrag nehmen. Im Kern geht es um die Frage, ob KI menschliche Kreativität und Arbeit tatsächlich ersetzen kann.

In einem Statement gegenüber Broadcast International skizzierte Van der Velden ihre Pläne für Tilly: „Wir wollen, dass Tilly die nächste Scarlett Johansson oder Natalie Portman wird.“

Junge Frau ohne Macht

Vielleicht ist es symptomatisch, dass es sich bei der ersten KI-Darstellerin um eine junge Frau handelt, die sich weder gegen Rollen noch gegen Objektifizierung wehren kann. Die echten Frauen fordern heute in der Filmbranche ihr Mitspracherecht ein. Sie verweigern sich den veralteten Klischees und bestehen auf ihren Rechten.

Viel spannender wäre es gewesen, wenn Xicoia, die Firma hinter Tilly, sich für einen älteren Mann entschieden hätte. Dann wäre vielleicht auch Kritik von der alten Garde der Hollywood-Männer, diesen Ü60, die noch immer Actionhelden spielen, gekommen.

Grosse Studios und die Macht des Geldes

Ist KI eine Gefahr für den kreativen Filmbetrieb? Sicher werden sich die grossen Studios, die bereits jetzt endlos die gleichen Inhalte neu inszenieren, Disney mit seinen unzähligen Studios und Franchisen an erster Stelle, in Zukunft auf billigere KI-Darsteller*innen setzen. Nur, wenn man berücksichtigt, wie KI funktioniert, weiss man auch, dass es auf absehbare Zeit für echte Kunst nicht reicht. KI produziert nichts neues, sondern liefert immer eine statistische Spitze ihres Trainings. KI wird nie aus der Rolle fallen, immer in der Mitte ihres Datensatzes agieren, und damit mittelmässig bleiben.

Die Illusion von „billig“

Die gute Nachricht für Darsteller*innen: KI ist nicht so billig, wie man denkt. Für einen Film braucht eine KI ein spezifisches Training. Das muss von mehreren KI-Spezialisten begleitet und angepasst werden. Zurzeit kostet das pro Tag noch das Mehrfache einer durchschnittlichen Gage in einem europäaischen Film. Natürlich lohnt es sich, wenn man die Kosten mit den Millionengagen der Hollswood-Stars vergleicht. Aber das sind weniger als 1 Promille aller Darsteller*innen.

Das zweite Problem mit KI-Schauspieler*innen ergibt sich aus den Trainingsdaten. Mit höchster Wahrscheinlichkeit genoss unsere Tilly eine illegale Ausbildung. In der Schweiz und in Europa dürfen KIs nicht einfach mit öffentlich zugänglichen Daten (Filmen und Bildern) trainiert werden, da der Persönlichkeitsschutz die Rechte der Darsteller*innen schützt. Natürlich ist das schwer nachzuweisen, solange niemand klagt. Aber wir können davon ausgehen, dass gerade die grossen Produktionsfirmen wie Disney auf die Film- und Bildrechte schauen. Die wollen bestimmt nicht, dass konkurrierende Studios und KI-Unternehmen ihre fiktiven Personas mit den Stars aus ihren Blockbustern programmieren.

Generische Mainstream-Filme und Werbeproduktionen mögen sich damit zufriedengeben, für echtes, bewegendes Kino wird es nicht reichen, solange KIs keine Empfindungen haben, die sie nachfühlbar vermitteln können.

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