Audition: Mentale Vorbereitung hilft
Unsicherheit, Selbstzweifel, Perfektionismus – die Psyche kann einem bei einer Audition die ganze Performance versauen. Stefanie Gygax bereitet sich mental darauf vor.
Von Stefanie Gygax
Zum ersten Mal befasste ich mich vor 20 Jahren mit der Kraft der Gedanken, als das Buch „Bestellungen beim Universum“ top aktuell war. Und meine Frage bis heute bleibt: Warum ist Mentaltraining nicht Teil der künstlerischen Ausbildung?
Diese Thematik findet zum Glück mehr und mehr den Weg in den Alltag, auch bei Künstler*innen. Ich finde es toll, dass in der heutigen Zeit Bewusstseinstraining, Yoga und Meditation zur Normalität gehören. Ich finde, bereits in der Oberstufe müsste „Mentale Arbeit“ ein Fach im normalen Schulbetrieb darstellen, da die mediale Belastung und der mentale Leistungsdruck stetig zunehmen. Das drückt auf die Gedanken, auf den Körper und somit auf die Psyche.
Aber was hilft? Wie forme ich mit meinen Gedanken die Realität, in der ich lebe? Oft haben wir das Gefühl Opfer der Umstände zu sein und doch haben wir so viel selbst in der Hand. Klar, wir können nicht steuern, wie andere auf uns reagieren, ob unser Körper, unsere Stimme zur gesuchten Rolle passt. Aber wir können uns bewusst dafür entscheiden, wie wir damit umgehen!
Verfluchen wir Auditions oder lernen wir sie als Lernfeld schätzen? Noch vor 20 Jahren hätte ich nicht gedacht, dass ich mich über eine Audition-Einladung einmal fast genauso freuen werde, wie über ein Engagement. In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Anzahl der Darsteller*innen und Sänger*innen ins Exponentielle gestiegen. Jede*r möchte sich verwirklichen, jede*r kann sich irgendwo ausbilden lassen.
Da ich lange Zeit unter dem Stress von Auditions, unter der Unsicherheit und der Be-Urteilung litt, setzte ich mir vor einigen Jahren zum Ziel, mit Audition- Trainings meine Qual zu beenden. Mir wurde nach einiger Zeit klar, dass mein Hauptproblem in meiner Gedankensteuerung lag.
Aber wie steuere ich nun meine Gedanken? Ich setze mich hin und wähle bewusst den Pfad meiner Gedanken, stelle mir vor, was mir guttun würde oder wie ich am Liebsten auftreten will. Das ist je nach Stimmung ein unfassbar anspruchsvolles Training, weil der Verstand dich lieber wieder in deine gewohnten negativen Gedanken zurückziehen möchte. Es ist wie ein starker Sog, weil das Hirn in vertrauten Bahnen bleiben will. Es braucht viel mehr Kraft, neue Denkmuster zu schaffen, als im gewohnten zu verharren. Laut Studien rasen uns pro Tag 60‘000 – 70‘000 Gedanken durch den Kopf, also fast 1 Gedanke pro Sekunde!
Je stärker ich auf ein Thema fokussiert bin, desto deutlicher nehme ich wahr, wie ich ständig vom einen Gedanken zum nächsten springen möchte. Wenn ich auf der Bühne stehe und mich nur auf meinen Gesang oder meinen Text konzentrieren muss, ist das fast wie Urlaub, weil ich mich da völlig hineingeben kann, mich selbst verliere. Aber auch da kann es passieren, dass ich „innerlich“ aus der Rolle falle.
„Na der Ton war jetzt aber schlecht angesetzt…klar, ich habe ihn schlecht vorbereitet…warum dirigiert der auch ein so schnelles Tempo…“
Vor einer Audition ist es für mich wichtig, Ruhe zu haben, gut zu schlafen, genug zu essen und immer etwas für den Zuckerspiegel dabei zu haben, Traubenzucker, Cola etc. Ein bisschen Nervosität schlägt bei mir schnell auf den Kreislauf, dem gilt es vorzubeugen. So muss jeder für sich lernen, was in der Vorbereitung hilfreich ist.
Wenn Angst oder negative Gedanken aufkommen, versuche ich, mich selbst zu beruhigen. Ich werde meine eigene innere Mentorin: „Alles wird gut gehen, du erfreust die Menschen mit deiner Stimme … wichtig ist, dass du Spass daran hast, alles andere liegt nicht in deiner Hand.“
Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass mich negative Gedanken plagen. Deshalb ist es wichtig, das mentale Training in meinen Alltag einzubauen. Jeden Tag frage ich mich: „Wie möchte ich heute sein, mir und meinen Mitmenschen gegenüber?“ Natürlich hilft das nicht immer und manchmal muss man auch den Frust rauslassen und zugeben, dass es einem nicht gut geht.
Ich wünschte mir, das würden die Menschen viel häufiger machen, dann wäre das Miteinander doch gleich viel vertrauter und man könnte sich gegenseitig mehr helfen und aufmuntern. Nun wünsche ich euch aber viel Mut und Kraft in der Audition-Zeit und dass ihr eurem inneren Kritiker bei jeder Gelegenheit den Arschlochfinger zeigt.


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