Die Zerstörung der SRG
Kommentar: Die Nationalratskommission will die SRG finanziell noch mehr schwächen – zusätzlich zu Bundesrat Röschtis Kürzungen und im Vorfeld der Halbierungsinitiative. Warum hassen Rechtsbürgerliche die SRG so sehr?
Dass die Kürzungen bei der SRG fatale Auswirkungen auf die Schweizer Kulturlandschaft haben (werden), ist uns allen klar. Aber der Schaden für unsere Gesellschaft ist weit grösser und gefährlicher. Jetzt will die Nationalratskommission mit dem Kahlschlag bei der SRG noch weiter gehen als der Bundesrat, wie der Tagesanzeiger berichtet.
Wissen Sie, warum die Schweiz damals entschied, die SRG nicht über Steuergelder, sondern über eine Gebühr zu finanzieren? Weil Steuergelder der Kontrolle des Parlaments unterliegen und niemand wollte, dass eine Ratsmehrheit über die Finanzierung Einfluss auf die Berichterstattung nehmen kann. Ratsmehrheiten können sich immer ändern. Von rechts bis links war allen klar, dass eine unabhängige SRG ein wichtiger Bestandteil der Schweizer Demokratie war und auch bleiben soll.
SRG seit NoBillag Freiwild
Seit der NoBillag-Initiative hat sich das verändert. Es gibt Kräfte in der Schweiz, denen eine politisch und finanziell unabhängige Berichterstattung ein Dorn im Auge ist. Warum? Schauen wir zurück auf die US-Wahlen 2016. Ein Kandidat erzählte im Minutentakt Lügen. Es gab in den USA Medien, die diese Lügen entlarvten, und es gab Medien, die diese Lügen transportierten.
Freie Berichterstattung, würde man meinen. Dem ist aber nicht so. Da alle Medien in den USA politischen Lagern zugeordnet werden, stehen am Ende Lügen und Fakten gleichberechtigt nebeneinander, gelten einfach als „unterschiedliche Positionen“. Für populistische Kräfte, die in erster Linie mit gefühlter Realität und Angst und nicht mit empirischen Fakten argumentieren, ist das eine ideale Grundlage. Und in der Schweiz sehen wir seit einigen Jahren ähnliche Tendenzen: Fakten dienen nicht mehr als Grundlage des politischen Diskurses, Meinungen und Bauchgefühl werden höher gewichtet. Da stört eine unabhängige, neutrale und der Realität verpflichtete Medienorganisation nur.
SRG eine Gefahr für Populisten
Ein unabhängiges Medium, das gesetzlich der Neutralität und der Faktentreue verpflichtet ist und im Auftrag aller Bürger*innen berichtet, ist eine Gefahr für alle extremistischen und populistischen Kräfte. Das erklärt, warum die Rechtspopulisten der SVP so vehement gegen eine freie und unabhängige SRG schiessen. Als die Polit-Senudng Arena die Live-Faktenchecks einführte, fühlten sich viele Gäste aus dieser Ecke bedroht.
Dann bleibt die Frage, warum sich die FDP an der Hetzjagd gegen das öffentlich-rechtliche Medienangebot beteiligt. Es sei, um den Mittelstand zu entlasten, führen liberale Medienpolitiker*innen an. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass sie eigentlich in erster Linie die Unternehmen von der Serafe-Abgabe befreien wollen.
Das Markt-Märchen
Und das ist nicht alles. Die FDP agiert hier auch als Lobby für die grossen privaten Medienhäuser. Diese sehen das SRF mit seinen Gratisangeboten als unfaire Konkurrenz, gerade auf einem schrumpfenden Werbemarkt. Also beteiligen die Verleger sich aus den Schatten am Angriff auf die SRG. Was absolut keinen Sinn ergibt, denn eine SRG mit weniger Serafe muss mehr Geld aus dem Werbekuchen generieren.
Lauthals fordern Liberale, Medien müssten sich auf dem freien Markt behaupten. Auch hier könnte man Heuchelei vermuten. Denn wenn man etwas tiefer in die neuen Kürzungen schaut, stellt man schnell fest, dass der Gebührentopf zusammengestrichen werden soll, keine Abgaben mehr für Unternehmen, dass aber der Anteil, den privatwirtschaftliche Medien aus diesem Topf bekommen, nicht kleiner werden darf. Also: Private Medien, die Gebührengelder erhalten, aber zum Teil massige Dividenden auszahlen, sollen weiterhin gleich viel beziehen, während die SRG, bzw. SRF stärker zurückgebunden wird.
„Die Kommission will alle Unternehmen von den Radio- und Fernsehabgaben befreien. Im Vergleich zu heute würden so auf einen Schlag noch einmal rund 170 Millionen Franken Gebührengelder wegfallen, wie die Jahresrechnung 2023 für die Unternehmensabgabe für Radio und Fernsehen zeigt. Die privaten Anbieter, die heute ebenfalls von Radio- und Fernsehgebühren profitieren, sollen nicht unter der Gebührensenkung leiden. Ihr Anteil soll mindestens gleich hoch bleiben wie bisher. Alle Mindereinnahmen gingen also zulasten der SRG.“
Vergebens suche ich den liberalen Gedanken in dieser Logik. Aber es geht noch weiter. Die Medienhäuser beklagen sich über einen härteren Markt, entlassen massenhaft Journalist*innen, stellen die Kulturberichterstattung vollkommen ein und zahlen im gleichen Zuge Gewinne an die Aktionär*innen aus. Natürlich ist der Markt härter und soziale Medien haben breite Teile der Informationskultur gekapert. Aber statt Geschäftsmodelle für die Zukunft zu entwickeln und in Journalismus zu investieren, wollen die grossen Medienhäuser die SRG schwächen, auch wenn sie weder die Ressourcen noch die Qualität haben, um diese Lücke dann zu füllen.
Die SRG bietet die in vielen Bereichen einen Dienst an der Gesellschaft, der den privaten Anbietern zu teuer und zu aufwändig ist. Die grossen Medienhäuser werden dadurch in keiner Weise konkurriert. Von den Sprachregionen will ich gar nicht anfangen. Wenn nun die Politik parallel zum Leistungsabbau bei den Privaten auch die SRG schwächt, schadet sie der Schweizer Demokratie. Punkt.
Und was macht die SRG? Sie übt sich in vorauseilendem Gehorsam. Duckt sich, entschuldigt sich, brennt ganze Bereiche des Service Public freiwillig nieder. Dabei wissen wir doch seit dem Grobian auf dem Pausenplatz: Wer sich duckt, wird noch stärker gemobbt.
Es ist tatsächlich, wie die Rechtsextremen die Medienwelt beinflussen. Wir kennen das von Russland, Ungarn, USA – und demnächst vielleicht auch bei uns. Die SVP – mit Martullo als prägende Populistin und Milliardärin – kämpft gegen eine neutrale Berichtserstattung. Erst hat Blocher fast alle Gratis-Zeitungen aufgekauft und jetzt geht es an die SRG. Und wer sich im Nationalrat für diesen Medienabbau stark macht, müsste man namentlich veröffentlichen.
Rolf Gut, Zürich