„Die Inszenierung überzeugt mich nicht“
Was, wenn man in einer Produktion mitarbeitet, aber die Umsetzung gefällt einem nicht wirklich? Wie bringt man sich ein, wie distanziert man sich? Nadine Hochstrassers Gedanken dazu.
Es gibt einen Moment, der in manchen Projekten früher oder später kommt: Ich sitze im Probenraum, höre zu, schaue zu – und plötzlich rebelliert etwas in mir. Eine Aussage holpert, ein Gag ist mittelmässig, ein Satz, der nicht kritisiert, sondern reproduziert, oder eine Szene gefällt mir schlicht und einfach nicht. Dann höre ich mich schon sagen: „Entschuldigung, de Teil findi schwierig …“
Nur blöd, dass ich da nicht als Regisseurin sitze, sondern als Angestellte. Also offiziell da, um mitzuspielen. Engagiert, gebucht, bezahlt – um zu tun, nicht unbedingt, um Entscheidungen zu treffen. Und da beginnt mein Dilemma.
2025 redeten wir ja viel über Partizipation, Konsens, Co-Kreation und gemeinsame Entscheidungsprozesse. Und ja: An den meisten Orten, an denen ich arbeite, ist das gelebter Alltag. Es ist erwünscht, dass man den Mund aufmacht, wenn etwas nicht stimmt. Ja, das ist manchmal streng, führt zu längeren Sitzungen und erfordert natürlich auch Kompromisse. Aber alle sind mit Herzblut dabei, alle sind Teil des Ganzen.
Dann gibt es die anderen Situationen.
Die Momente, in denen ich etwas anspreche und auf ein manchmal höfliches, manchmal genervtes «Danke, aber nein» stosse. Und dann beginnt der Teil, den ich hinterfrage: Wenn ich inhaltlich nur zu 80 % dahinterstehen kann, die Umsetzung mir grundsätzlich gefällt, mich jetzt aber auch nicht total aus den Socken haut, verändert sich etwas in mir. Mein Enthusiasmus schrumpft, kaum sichtbar, aber für mich deutlich spürbar.
Ich merke, wie ich nicht mehr voller Überzeugung sage: «Chömmed!» Sondern eher: «Jaaaa, musch ez imfall nöd unbedingt cho go luege.» Nicht aus Trotz, sondern weil es sich seltsam anfühlt, nach aussen für etwas zu stehen, für das ich nicht unbedingt Aushängeschild sein möchte, was man als Spielerin auf der Bühne aber irgendwie immer ist. Denn am Ende steht nicht nur die Figur auf der Bühne, sondern auch ich. Als Produktionsmitarbeiterin kann ich mich jeweils noch einfacher distanzieren. Denn ich sitze ja wie jede*r andere Zuschauer*in nur im Publikum. Auch als Figur kann ich mich distanzieren und habe durchaus grosse Spielfreude.
Aber ich als Ich? Ich schäme mich. Und manchmal frage ich mich: Bin ich weiterhin konstruktiv? Bin ich anstrengend? Bin ich eine kleine Kunstpolizistin? Verteidige ich noch künstlerische Integrität, oder versuche ich bereits, meinen persönlichen Geschmack durchzudrücken?
In keinem anderen Beruf würde man an die Tür klopfen und sagen: «Also, ich weiss, ihr macht hier vegane Fleischersatzprodukte … aber ich fände halt vegetarisches, dafür glutenfreies Ersatzfleisch viel interessanter.» Man würde freundlich ausgelacht, und das vermutlich zu Recht.
Darum frage ich mich: Was mache ich, wenn ich eine Szene nicht vertreten will, die Entscheidung aber nicht meine ist? Bisher nerve ich so lange, bis ich mehr oder weniger dahinterstehen kann. Ich lade niemanden ein ausser meinen Eltern und meinen Partner und freue mich darüber, dass ich Theater mache und das Ganze nach der Dernière, im Gegensatz zum Film, nirgendwo festgehalten ist.
Yay.


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