Förderlandschaft und Nachhaltigkeit? Mathias Bremgartner im Gespräch

Ensemble hat Mathias Bremgartner, den Leiter von m2act getroffen, das Förder- und Netzwerkprojekt für die Darstellenden Künste des Migros-Kulturprozent.

Bremgartner selbst hat einen Hintergrund in Dramaturgie und Produktionsleitung in der freien Szene, gleichzeitig hat er an der Universität Bern Theaterwissenschaften studiert, dort assistiert und doktoriert – er versteht diese Grundbildung als den „systematischen Zugriff“ auf seinen beruflichen Bereich. Vier Jahre hat er in der Theater- und Tanzkommission der Stadt Bern gearbeitet und dort das Förderbusiness kennengelernt. Diese drei Punkte in seiner Laufbahn haben ihn dann zu Migros-Kulturprozent gebracht, wo er Experte für die darstellenden Künste ist.

Die Frage war, wie man in der Praxis mehr Fairness und ökologische Nachhaltigkeit im Theater generieren könne.

Bremgartner verantwortet aktuell das Projekt m2act, das er vor drei Jahren neu aufgegleist hat. Er und sein Team haben sich an den Bedürfnissen der Szene orientiert – das Thema einer fairen Praxis im Arbeitsalltag der darstellenden Künste war zu diesem Zeitpunkt schon sehr präsent und somit zentraler Teil des Projekts. Die Frage war, wie man in der Praxis mehr Fairness und ökologische Nachhaltigkeit im Theater generieren könne. In der Schweizer Förderlandschaft gibt zudem keine Förderung für Projekte, die wie dieses „hinter der Kulisse“ wirkt und die Strukturen nachhaltig verbessern und verändern kann.

Der Name ist Programm, es gibt die zwei Standbeine Förderung und Netzwerk. Gefördert und unterstützt wird durch Finanzierung, Vernetzung und das Teilen von Wissen um Prozesse. Der Netzwerk-Teil beinhaltet jährlich zwei Anlässe, einen internen im kleinen Format der dieses Jahr mit der Initiative FAIRSPEC gemeinsam durchgeführt wurde und im Mai im Rahmen des Theaterfestivals auawirleben in Bern stattfand und das grosse Netzwerktreffen m2act@grange-unil, welches am 11. und 12. November 2022 in Lausanne zum Thema Nachhaltigkeit stattfinden wird. Beim Treffen im Mai sind bereits neue fruchtbare Verbindungen entstanden, teilweise haben sich daraus konkrete Zusammenarbeitspläne ergeben. FAIRSPEC hat sich zum Ziel gesetzt, den 2021 erarbeiteten FAIRSPEC Kodex zu teilen und darüber zu diskutieren, wie man ihn umsetzen und daraus Verhandlungsanweisungen ableiten kann.

m2act möchte als Projekt auch selber halten, wofür es spricht und setzt deshalb auf eine faire und hierarchiearme Zusammenarbeit.

Das m2act Team setzt sich zusammen aus Urs Künzi, zuständig für Förderung, die Ausschreibung von Prozessen und die Weiterarbeit mit Projektpartner*innen; Saima Sägesser ist Produktionsleiterin und Verantwortliche für Administration und Organisation.Weiter ist Rebecca Frey für die Kommunikation zuständig und Regula Schrödter ist externe Projektentwicklerin, die als Dramaturgin wirkt und den Förderprozess spiegelt. m2act möchte als Projekt auch selber halten, wofür es spricht und setzt deshalb auf eine faire und hierarchiearme Zusammenarbeit.

„Es ist toll, was bei den Workshops entsteht und es herrscht Aufbruchstimmung“

Mathias Bremgartner

Mit dem Projekt Reflector unterstützt m2act gemeinsam mit dem Migros Pionier Fonds bereits drei Theater im Prozess, als Institution nachhaltiger zu agieren: Das Theater Neumarkt in Zürich, die Kaserne in Basel und das Théâtre Benno Besson in Yverdon-les-Bains. Mit Nachhaltigkeit sind hier insbesondere ökologische Faktoren gemeint, beispielsweise in Bezug auf die Mobilität. „Es ist toll, was bei den Workshops entsteht und es herrscht Aufbruchstimmung“, meint Mathias Bremgartner.

Bremgartner wünscht sich, dass die gesamte darstellende Kunst einen Transformationsprozess durchläuft und die Vorbildfunktion, die dem Theater innewohnt, als Spiegel für die Gesellschaft nutzt. Es sollen neue Modelle auf sowie hinter der Bühne kreiert werden. „Wir müssen auch hier vorausgehen, uns so aufstellen, dass man nachhaltiger werden kann!“, sagt Bremgartner.

„Wir möchten Hierarchien verkleinern, uns auf Augenhöhe begegnen.»

Mathias Bremgartner über die Zusammenarbeit mit FAIRSPEC

Auch Machtmissbrauch ist Thema. Bremgartner ist überzeugt, dass dieses Thema in der Schweiz weniger hör- und sichtbar ist als beispielsweise in Deutschland. Mit FAIRSPEC unterstützt m2act Akteur*innen aus der Szene, die ihr Augenmerk darauf gerichtet haben. „Wir möchten Hierarchien verkleinern, uns auf Augenhöhe begegnen.» Auch in der Beziehung zwischen Geförderten und Förderinstitution existiere ein Ungleichgewicht, man arbeitet mit Geldern. Die grosse Frage für Bremgartner ist: «Wie kann man sich gleichzeitig gemeinsam für etwas entscheiden, ohne in eine Bittsteller*innen-Position zu fallen? Unsere Herausforderung liegt darin, herauszufinden, wie man sich neu begegnen kann“.

m2act ist ein Projekt des Migros-Kulturprozent. Die Direktion Gesellschaft & Kultur des Migros-Genossenschafts-Bundes, wo Bremgartner aktiv ist, konzipiert und setzt schweizweit eigenständig Förderprogramme um, was ein grosser Vorteil ist. Hier können für Projekte Gelder eingesetzt und Neuland betreten werden, wo die öffentliche Hand für Förderung wesentlich weniger flexibel handeln könnte.

Seit zwei Jahren gibt es das Vorhaben namens „Vert le futur“, ein Interessenverein, der sich für mehr Nachhaltigkeit in der Veranstaltungsbranche einsetzt. Dies geschieht über Sensibilisierungsworkshops oder Veranstaltungen. Ebenfalls wird dafür eine Website mit dem Namen „Tatenbank“ lanciert, die Tipps bezüglich der Umsetzung und Veränderung von nachhaltigen Zielen gibt. Ein weiteres unterstütztes Vorhaben ist die FemaleAct Checkliste für Gleichstellung und Diversität an Schweizer Kulturbetrieben.Bremgartner freut sich über die Entwicklung dieser Prozesse, die er als sehr wichtig erachtet, die verschiedenen Häuser zu sensibilisieren und sie zur Reflexion anzuregen.

Wir danken Mathias Bremgartner für das interessante Gespräch und freuen uns auf eine nachhaltige und positive Entwicklung im Arbeitsalltag der darstellenden Künste.

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