Kids, Theater & Abenteuer

Fröhliches Geschrei, Konzentration, Musik, Freudentränen und wilde Geschichten – Nadine spürt die tiefe Befriedigung, die das Spielen und Arbeiten Theaterkindern bringen kann. 

Ich sitze auf meiner Dachterrasse, noch ganz durchtränkt von den letzten neun Tagen. Hinter mir liegt wieder einmal eine Woche Theaterutopie – intensiv, wild, voller komischer Ideen, voller Leben. Eine Woche, in der ich einmal mehr das Schönste am Menschsein erleben durfte.

Am Samstag davor sind wir gestartet: ein Team aus vier Theaterschaffenden, einem Musiker und zwei Kochenden. Mit sechs Bauwagen und einer groben Idee rollten wir in Opfikon ein– auf dem Areal einer stillgelegten Kläranlage. Ziel: ortsspezifisches Freilufttheater mit Kindern und Jugendlichen.

Der erste Tag ist ein eingespieltes Gewusel – noch ohne Kinder. Wagen entladen, Küche einrichten, Matratzen überziehen, Wasser und Strom verlegen, putzen, sortieren, improvisieren und Lösungen finden. Bevor überhaupt an Proben zu denken ist, müssen wir erst einen bewohnbaren Ort schaffen.

Dann: Geländeerkundung. Ein Teich im alten Klärbecken, eine riesige Graffiti-Halle, ein Spielplatz mit einem überdimensionierten Fliegenpilz – umgeben von Gentrifizierung und Wohnoptimierung. Ein surrealer und skurriler Ort, der in mir eher dystopische Bilder aufsteigen liess.

Und natürlich war da viel Potenzial für Geschichten. Aus den ersten Ideen wurden vier konkrete Spielorte, aus dem Konzept vier Gruppen. Am Abend sassen wir stundenlang beisammen und spannen mögliche Geschichten: Welche Themen wollen wir erzählen? Welche Orte wie verweben?

Am nächsten Morgen trudelten unsere jungen Schauspieler*innen ein – neugierig, und noch ein bisschen schüchtern. Sie erkundeten ihre Schlafplätze, wir spielten erste Kennenlern- und Theaterspiele. Schon in den ersten Stunden wurde spürbar: Diese Gruppe bringt viel mit. Vor allem eine grosse Portion Lust.

Von da an versanken wir in eine Woche voller konzentrierter Leichtigkeit. Gemeinsam improvisierten und experimentierten wir, verwarfen Ideen und dachten immer wieder neu. Aus Spass wurde Bedeutsam, und aus Bedeutsam formte sich unser Miteinander. Selten waren wir streng, oft albern. Wir liessen den Kindern viel Freiheit, kommunizierten aber stets klar und ehrlich und erklärten unsere Grenzen. Und: Sie verstanden. Sie spürten ihre eigenen Grenzen und auch unsere.

Die Kinder wuchsen in ihre Rollen hinein, nahmen Raum, gaben Ideen, überraschten uns täglich. Man sah ihnen zu und wusste: Da passiert gerade etwas. Ein Gefühl von Zugehörigkeit und Vertrauen lag in der Luft – nicht nur auf der Bühne, sondern mitten in dem kleinen Universum, das wir gemeinsam gebaut hatten.

Die Herausforderung: ein Stück auf die Beine zu stellen, das Sinn macht. Das ihre Ideen genauso sichtbar macht wie unsere. Das Szenen, Orte, Musik und Publikum miteinander verwebt – dabei umsetzbar bleibt und weder überfordert noch langweilt. Und das alles natürlich unter enormem Zeitdruck.

Es ist ein Tanz auf dem Drahtseil. Und gleichzeitig das, was ich am meisten liebe: diese Sitzungen bis tief in die Nacht, in denen Ideen herumfliegen wie Glühwürmchen. Wo man einen Gedanken in die Luft wirft, und jemand anders ihn zu Ende denkt.

Am Samstag war Premiere. 130 Menschen kamen – und wir wussten: Es wird gut. Aber so gut? Damit hatten wir nicht gerechnet. Standing Ovation. Und ich – eine einzige Grinsebacke. Beim Schlusssong liefen mir die Freudentränen nur so über die Wangen. Dieser Song. Er war wunderschön und mindestens so kitschig wie meine Kolumne. Komponiert von einem unserer Schauspieler – 13 Jahre alt. Als wir ihn zum ersten Mal gemeinsam ausprobierten, war nicht nur ich aus dem Häuschen, sondern auch er. Über beide Ohren strahlend sagte er: „Danke, dass wir meinen Song auf die Bühne bringen. Er ist noch viel schöner, als ich ihn mir vorgestellt habe.“

Nach der Vorstellung war der ganze Platz erfüllt von dieser Energie. Die Kinder sangen, lachten, und waren völlig übermütig. Und als es zu regnen begann, drehten sie singend Runde um Runde um den Teich – vielleicht fünfzehnmal. Klatschnass. Und liebenswert sonderbar.
Und wir sassen da, zufrieden und müde. Und ich wusste einmal mehr: Ich habe den schönsten Job der Welt.

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