SRF – Klicks statt Kultur
«Angebotsfokussierung» nennt SRF den neuesten Kahlschlag im Bereich Kultur. Journalistische Inhalte wie das Radioformat „Kontext“ werden eingestellt, gepusht wird, was „streamable“ ist.
Susanne Wille baut das SRF-Angebot radikal um. Das sieht so aus: die Audioformate «Kontext», «Künste im Gespräch» und «Kultur-Talk» werden eingestellt, wie das Branchenportal persoenlich.com heute exklusiv meldet. Ihre Themen sollen in einem täglichen Talk kurz angerissen werden.
Die Medienstelle verliert sich in PR-Blabla: „Ziel ist es, wirkungsschwache Angebote zu identifizieren und zu evaluieren, ob deren Themen auf andere Weise gezielter ans Publikum gebracht werden können.“ – kurz: Was Klicks erzielt, wird behalten. Das bei einem privaten Medium sicher gerechtfertigt, aber SRF hat einen Service-Public-Auftrag, nicht einen Reichweiten-Auftrag. Nach dieser Logik müsste man auch die Rumantsch-Programme einstellen, weil sie per definitionem „wirkungsschwach“ sind. Die Aufgabe, Schweizer Kulturschaffen abzubilden, ist ein zentraler Teil des öffentlichen Auftrags an SRF. Mit ein paar zusätzlichen Insta-Filmchen lässt sich das nicht seriös abdecken.
Politisch unklug
Die Entscheidung, die Kulturberichterstattung zu schwächen, ist aber nicht nur gesellschaftspolitisch fragwürdig, sie ist auch politisch unklug. Damals, bei der NoBillag-Abstimmung, haben sich in erster Linie Kulturschaffende und Institutionen öffentlich für den Service Public eingesetzt. Es steht wieder eine Abstimmung an, die dem SRF das Geld streichen will. Jetzt wäre es klug, sich den Goodwill der Kulturszene zu sichern.
Protestbrief der Journalist*innen
«Mit einer schnell gestrickten Talksendung können wir uns in der Medienlandschaft nicht profilieren», äussern sich 50 Journalist*innen und Redaktor*innen in einem Protestbrief an SRF-Direktorin Nathalie Wappler in ihrer Rolle als Interim-Kulturchefin. Das Kulturformat „Kontext“ arbeitete mit Hintergründen, Recherchen, O-Tönen, halt so, wie echter Kulturjournalismus aussehen müsste. Wohl zu gehaltvoll für Tiktok und Instagram.
Die Sendung «Kulturplatz», quasi das Pendant zum abgeschafften «Kontext» wird nicht eingestellt, sondern erhält einen «Entwicklungsauftrag» und soll so zu einem «Digital First»-Angebot weiterentwickelt werden. So wird „Digital First“ zu einer Entschuldigung, um tiefergreifenden Journalismus abzuschaffen. Denn „Digital“ wird nicht in kultureller Relevanz für die Gesellschaft gemessen, sondern in Klicks. So gedacht, müsste SRF eigentlich nur noch Sex&Crime produzieren, weil diese beiden Themen nachweislich die meisten Klicks generieren. Ein netter Witz, nicht? Oh, Moment ….
True-Crime-Podcasts
Aus dem Geld des Ressorts „Kultur & Gesellschaft“, in dem alle Kultursendungen angesiedelt sind, bringt SRF dafür einen True-Crime-Podcast. Der gefühlt hundertste True-Crime-Podcast in den letzten 5 Jahren. Der Tagesanzeiger führte bereits vor einiger Zeit ein regelmässiges Gefäss ein, auf Spotify und anderen Streamingplattformen kann man sich gar nicht mehr retten vor diesen Formaten. Inzwischen wurde jedes für die Schweiz relevante Verbrechen der letzten 500 Jahre bereits bis zur Langweiligkeit in Podcasts aufgearbeitet. Will man bei SRF in diesem Bereich neues schaffen, müsste erst die Kriminalitätsrate massiv steigen.
Alle lieben Mona
Das Problem liegt darin, dass SRF die Schwerpunkte „Kultur“ und „Gesellschaft“ in einem Ressort zusammengefasst hat. In Konkurrenz zu gesellschaftlichen Sendungen wie „Mona mittendrin“ oder „Gesichter&Geschichten“ ziehen Kulturformate zu Theater, Literatur, Malerei, klassischer Musik immer den Kürzeren. So sehr wir alle Mona Vetsch lieben (und das tun wir!) und ihr die Aufwertung ihrer Sendung gönnen, macht es keinen Sinn, ihre Sendung aus dem gleichen Topf zu finanzieren, wie klar reichweitenschwächere Kulturangebote.
Die ganze Angelegenheit erinnert an die freie Wirtschaft: Immer, wenn jemand an der Spitze von „harten Entscheidungen“ spricht, die getroffen werden müssen, kann man drauf wetten, dass diese Person selbst nicht davon betroffen ist.
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