Lea Lu: „Mein Staubsauger tönt Goldbraun“

Die Singer- Songwriterin Lea Lu sieht Farben, wenn sie Töne hört. Unsere Kolumnistin findet diese Fähigkeit so faszinierend, dass sie versucht, dieser Sinneswahrnehmung mit einer Lichtinstallation nachzuspüren.

Von Stefanie Gygax

Lange dachte Lea, die Fähigkeit Töne als Farben wahrzunehmen, sei ganz normal. Bis sie sich eines Tages eine TV-Sendung über „Synästhesie“ sah und überrascht realisierte, dass sie über eine ausserordentliche Fähigkeit verfügte. Sie begann mit ihrem Umfeld über ihre Erfahrungen zu sprechen und wurde von ihrem damaligen Gitarristen an einen Studenten verwiesen, der genau zu dieser Zeit eine Masterarbeit über Synästhesie unter Musikern verfasste.

Die Grundfarbe bleibt gleich

Ein Jahr lang Studien nahm sie an der Uni Zürich an Studien unter Professor Dr. Jäncke teil. So lernte sie ihre Fähigkeit besser kennen und erfuhr, was es für unterschiedliche Formen von Synästhesie gab. Ihr persönliches Empfinden beschreibt sie so, dass sie die Farben sieht, wie wenn wir uns ein Bild vorstellen. Sie fühlt allerdings auch, wie die Farben von der Mitte des Kopfes bis zum Hals wandern und je nach Instrument oder Ton die Struktur verändern.

So erscheint z.B. der gleiche Ton bei der Piccolo Flöte mit einer rauhen Kante in der Farbe und beim Cello mit einer warmen, weichen Struktur. Die Grundfarbe beim gleichen Ton bleibt jedoch bestehen, egal ob er von einer Stimme, Instrument oder einer Maschine ertönt.

Komponieren nach Farben

Beim Komponieren ihrer eigenen Lieder sucht sich Lea Tonfolgen aus, die ihr auch farblich gefallen. Beim Singen jedoch konzentriert sie sich auf die Tongebung und den Klang der Stimme, sodass ihre inneren Farben etwas in den Hintergrund rücken. Sie sind immer da, aber so wie mit unseren Gedanken, kann man den Farben mal mehr, mal weniger Beachtung schenken. So sieht sie auch Farben bei alltäglichen Geräuschen, wenn Sie sich darauf fokussiert. Auf meine Frage, welche Farbe denn Staubsaugen hat oder ein lärmender Zug am Bahnhof, antwortete sie: „Das kommt halt sehr darauf an, wie der Zug oder der Staubsauger klingt. Mein Staubsauger tönt goldbraun, auf der Tonhöhe G/Gis. Bei den Zügen kann das von Orange über Hellgrau bis Dunkelgrün sein, je nach Zug.“

Jede*r Synästhesist*in sieht die Farben anders. So hat Lea in ihrem Leben erst einen einzigen Musiker getroffen, der bei jedem Ton die genau gleiche Farbgebung beschrieben hat wie sie. Das war für sie unglaublich schön, denn seither fühlt sie sich nicht mehr ganz allein mit ihrer Wahrnehmung.
Man fragt sich natürlich, ob diese Vernetzung der Wahrnehmung, diese zusätzliche Dimension in den Sinnen nicht völlig überwältigend ist. Laut Lea lösen die Farben auch Empfindungen aus. So ist zum Beispiel F-Dur dunkelgrün und drückend, während sie E-Dur als lebendiges Orange wahrnimmt.

Mehr Töne, mehr Farben

Für unser Projekt hört sie sich Aufnahmen mit Klavier und Gesang an, um die jeweils vorherrschende Farbe für das Lichtdesign des Konzerts zu bestimmen. Diese Farben erscheinen ziemlich klar, weil es sich „nur“ um ein Instrument und eine Stimme handelt. Bei einem Konzert mit Orchester nähme sie ein riesiges Farbchaos wahr, bei dem sie erstmal die stärksten Farben rausfiltern müsste. Je mehr Töne parallel zusammenkommen, um so mehr Farben und Farbmischungen erscheinen.

Die Forschung arbeitet an der Frage, ob jeder Mensch mit Synästhesie geboren wird und es dann im Kindesalter verlernt, um besser mit äusseren Eindrücken umgehen zu können. Für uns Normalsterbliche, die keine erweiterte Sinneswahrnehmung haben, bleiben Lichtinstallationen, Bühnenbilder und farbliche Inszenierungen, um wenigstens den Eindrücken anzunähern, die Lea Lu jeden Tag erlebt.


Der Liederabend „Seelenmusik von Richard Strauss“ mit Lichtinszenierung inspiriert von Lea Lu findet am Sa.21.09.24 um 20Uhr in der Katholischen Kirche in Nussbaumen (Baden AG) statt. Das Konzert dauert 60min. ohne Pause.

Weitere Infos auf: www.stefaniegygax.com

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert