«Was dich nicht umbringt, gibt dir Trauma ….“
Macht Scheitern uns stärker? Gestatten wir uns das Glücklichsein? Unsere Kolumnistin Stefanie Gygax denkt darüber nach, was uns beruflich und menschlich weiterbringt.
In letzter Zeit lese ich sehr viele Posts mit der Aussage „Scheitern macht dich stark“. Wahrscheinlich hat mein Handy den Artikel über „The show must stop“ mitbekommen.
Ich finde die Aussage interessant, weil ich gerne die Blickwinkel wechsle, aber ich frage mich: Stimmt das wirklich?
Als Mensch, der in seinem Leben viele Absagen, Skepsis und Ausgrenzung erlebt hat, sehe ich das eher andersherum. Die negativen Aspekte in unserem Beruf haben mich erst zu Blockaden geführt, zum Zweifeln an meiner Persönlichkeit, meiner Kompetenz. Natürlich passierte dies auch zur Genüge in meinem Privatleben, aber wenn ich es nun rein auf meinen Beruf beziehe, hat das meiner künstlerischen Tätigkeit geschadet.
Ich habe die negativen Feedbacks Hürden bauen lassen, ohne die ich viel schneller vorwärtsgekommen wäre. Ich habe Ängste entwickelt, die gar nicht zu mir gehören. Das macht mich unglaublich traurig, weil ich mich eigentlich nicht gerne beeinflussen lasse und doch aufgrund meiner Sensibilität dazu genötigt worden bin.
Dann heisst es: „Du brauchst eine dickere Haut.“ Aha, aber in der Probe muss ich dann jeden Tag auf Knopfdruck die Elefantenhaut ablegen, weil ich mein Innerstes nach Aussen kehren muss?! Wir sind Menschen, unser Umfeld hat immer einen gewissen Einfluss auf uns, auch wenn es auf der unbewussten Ebene stattfindet. Deshalb sei vorsichtig, mit welchen Menschen du dich umgibst, es könnte dich nachhaltig prägen. Oft habe ich Jobs angenommen, weil ich unbedingt wieder auf der Bühne stehen wollte, ohne Rücksicht darauf, wer im Team mit dabei ist. Ich habe diese Komponente lange Zeit unterschätzt. Wieso sollte ich mit jemandem zusammenarbeiten, der mich nicht ausstehen kann, nur weil der Regisseur mich unbedingt dabei haben will?
Mamma Mia, ich habe es getan und das Erlebnis war traumatisch. Ich dachte, wenn diese Person mich kennenlernt, wird sie ihre Meinung ändern – falsch gedacht. In der ersten Saison war das zwar angeblich so und ich wiegte mich in Sicherheit. Aber als ich in der zweiten Saison krank geworden bin, ging es los. Ich war angreifbar und das wurde benutzt, um mich noch mehr zu schwächen. Natürlich immer unterschwellig, damit es niemand sonst mitbekommt. Emotionale Kämpfe sind genauso grausam wie physische und psychische Verletzungen, sie hinterlassen auch schwere Narben.
Und was lerne ich daraus? Meide Menschen, die dir schaden.
Von mir aus, aber bringt mich das beruflich weiter? Macht das eine bessere Darstellerin, eine bessere Sängerin aus mir? Wohl eher nicht, es hemmt mich oder frustriert mich und ich habe irgendwann keine Lust mehr, mich zu öffnen oder verfluche die Berufung, weil sie so viele Wunden verursacht hat.
Die meisten Fortschritte mache ich, wenn Menschen an mich glauben, wenn sie mich fördern, mir Vertrauen schenken. Dann kann ich mich öffnen und die beste Version von mir leben. Natürlich sind Stars auch oft gescheitert und lassen es uns ständig wissen, aber was haben sie denn anders gemacht? Wir alle scheitern, aber wer kommt trotzdem an die Spitze? Und vor allem: wer bleibt dort und ist dabei auch noch glücklich? Erfolg bedeutet ja noch lange nicht, dass es dir wirklich gut geht! Wir sagen immer: „Mir gahts guet“, aber wann sind wir glücklich?
Wenn ich Sätze aus meinem Kindertagebuch lese, bin ich jedes Mal total erstaunt, wie überschwänglich ich damals war. Nach meiner ersten Ballett-Aufführung schrieb ich: „Das war der schönste Tag in meinem ganzen Leben und meine Mama hat mir Blumen geschenkt, sie ist die beste Mama auf der ganzen Welt.“
Auch heute kommen diese Gefühle noch manchmal, meistens findet es in Verbindung mit der Bühne statt. Denn wenn ich im Alltag solche Phasen habe, werde ich von allen blöd angeschaut. Ich sehe in den Blicken: „Was hat die denn genommen? Das ist ja wohl übertrieben, so glücklich ist niemand.“
Vielleicht lernen wir vom Scheitern, aber nicht nur. Sollten wir nicht mehr aus den Momenten lernen, in denen wir pures Glück empfinden? Wann finden diese statt und mit wem? Schämen wir uns, unsere Glücksgefühle zu zeigen? Ich glaube, es ist viel wichtiger aus dem zu lernen, was dich glücklich macht und in welchem Umfeld du erblühst, um DIESEN Teil in dir zu expandieren und die negativen Aspekte loszulassen.
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