#Metoo und Macht hinter den Bühnen

Übergriffe während der Vorstellung, Machtmissbrauch beim Casting, Personenkult – SRF Reporter sticht mit einem Beitrag über die Missstände auf und hinter Opernbühnen eine Eiterblase auf. 

Es überrascht niemanden innerhalb der Szene: Missbräuche, Übergriffe, toxisches Arbeitsumfeld, das alles kennt man seit Generationen. Noch immer können einzelne Mächtige sich alles leisten und werden gedeckt. Oft mit dem Hinweis auf das „Genie“ des Täters, das aber meist nur aus gehyptem Status besteht. Und nichts ändert sich. Oder wie in der SRF Reportage zu hören:  «Der Verhaltenskodex in den Theatern ist mehrheitlich Alibi», sagt eine preisgekrönte Sopranistin.

Fast jede erfolgreiche Künstlerin hat in ihrer Karriere mehrfach sexistische und verbale Grenzüberschreitungen erlebt. «Mach‘ deinen Job und schweig», hat man Opernsängerin Marion Ammann zu Karrierebeginn geraten. Und Regula Mühlemann, der Star am Schweizer Opernhimmel, sagt: «In der Branche herrscht ein Machtgefälle. Das birgt die Gefahr, dass die Leute auf der unteren Stufe sich nicht wehren.»

Hört sich für viele bekannt an, ob als Beobachter*in oder Betroffene*r. Die Hierarchien sind steil, die Macht in den Händen weniger Branchen-Götter – fast ausschliesslich Männer – und Opfer von Übergriffen oder Bossing können sich nicht wehren, ohne dabei ihre Karriere zu riskieren. Schliesslich sind es oft die Täter, welche über die Macht verfügen, die nächsten Rollen zu besetzen .

Lösungen statt Alibi

Viele Betroffene, die sich mit ihren persönlichen Erfahrungen bei SzeneSchweiz melden, bestehen auf unbedingter Anonymität. In der Szene gilt: „Wer aufmuckt, wird nicht engagiert“. Sie gelten dann in der Branche als „schwierig“ oder „kompliziert“, oder noch schlimmer: „Nicht bereit, für die Kunst Opfer zu bringen.“ Die Häuser legen interne Verhaltensregeln oft lasch aus und schützen nicht selten lieber die berühmten Namen und die mächtigen Aushängeschilder als die Mitglieder der Ensembles. Der Schein ist wichtiger als das Sein. Allfällige Missstände werden intern und in absolutem Stillschweigen gelöst, meist ohne gravierende Folgen für allfällige Täter.

Wie kann man diesen Missständen in den darstellenden Künsten ein Ende setzen? Zuerst braucht es den Willen aller Beteiligten. Und dann braucht es eine unabhängige Meldeinstanz, die Vorfälle untersucht, öffentlich dokumentiert und auch Strafen aussprechen kann. Eine Ombudsstelle, eingerichtet und finanziert von Vertretern der Bühnen, der Produktionsfirmen, der Studios und der Künstler*innen, sollte das Recht haben, angezeigte Fälle unabhängig und gründlich abzuklären und bei jedem Fall einen Abschlussbericht zu veröffentlichen.

Die Macht der Hierarchie muss gebrochen werden, Missstände müssen Konsequenzen haben, müssen schmerzen. Erst, wenn Opfer die gleich langen Spiesse haben, erst wenn Aufarbeitung ausserhalb von Abhängigkeiten und Seilschaften stattfindet, wird sich etwas verbessern. Solange die gleichen Personen für die Aufarbeitung zuständig sind, deren höchstes Ziel die Wahrung des Rufs der Institution ist, werden die Opfer immer wieder unter die Räder kommen.

Nicht „Wer aufmuckt, wird nicht engagiert“, sondern „Wer übergriffig ist, fliegt raus“ muss das Credo sein. Und wir werden bei der Diskussion um eine unabhängige Kontrollinstanz genau erkennen, wer an den bestehenden Machtstrukturen hängt und wer wirklich eine Verbesserung der Situation anstrebt.

 

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