Dem Schicksal in den Hintern treten

„Du kannst nichts verpassen, was für dich bestimmt ist!“ – ein schöner Slogan, beruhigend, glaubwürdig und gibt einem ein gutes Gefühl. Da ich ein Mensch bin, der gerne alles infrage stellt und anderer Perspektive betrachtet, bin ich mir nicht sicher, ob die Psychologen damit nicht einfach nur ihre Klienten entspannen wollen.

Von Stefanie Gygax
Einige Jahre lang nahm ich diese Aussage an. Es half mir Vertrauen in meinen Weg zu finden und – da ich meistens mit Mut gesegnet bin –  bei Chancen dementsprechend zu handeln. Ich machte mir kaum Gedanken über verpasste Gelegenheiten. Wieso sollte man über etwas nachdenken, das man
sowieso nicht mehr ändern kann?

Ein kürzliches Ereignis hat mich da doch etwas aufgerüttelt. Bisher habe ich eine Absage hingenommen und ein „Sorry, momentan haben wir keine Vakanzen“ als Tatsache akzeptiert. Nach einem ersten persönlichen Vorsingen letzten Sommer offerierte mir eine Casting-Direktorin eine Worksession auf der grossen Bühne im Herbst. Sie würde ausserdem nach kleinen Rollen Ausschau halten, um mich mit dieser Bühne vertraut zu machen.

Ich war begeistert und freute mich über das Angebot. Was dann aber folgte, war alles andere als erfreulich. Ich bekam keine Antwort mehr auf meine Mails und Anrufe wurden auch nicht entgegengenommen. Über ihre Assistentin, die ich persönlich kannte, versuchte ich dann mit ihr Kontakt aufzunehmen. Auch von ihr bekam ich erstmal keine Antwort, konnte sie dann aber telefonisch erreichen. Sie vertröstete mich auf später und dass sie sich melden würde.

Der Herbst wurde immer dunkler und auf meine Mails gab es noch immer keine Reaktion. Im November erreichte ich dann per Telefon die Assistentin nochmals und wurde ein weiteres Mal vertröstet. Als ich mich dann im Januar entschlossen habe, etwas direkter oder für uns Schweizer doch eher forsch zu schreiben, bekam ich von der Assistentin die typische Abschiebungsfloskel: „Es tut mir leid, wir machen unter dieser Intendanz bis Sommer 2025 keine Vorsingen und auch keine Worksessions mehr. Ich melde mich, falls es eine Möglichkeit gibt, aber momentan haben wir auch keine Vakanzen.“

Wie bitte?

Normalerweise hätte ich das akzeptiert, aber weil mir die Casting-Direktorin diese Dinge offeriert hat, die für mich ein Sprungbrett bedeuten können, konnte ich das nicht einfach so hinnehmen. Also habe ich der Casting-Direktorin auf die Mailbox geredet, ziemlich forsch und nochmal ein Mail geschrieben und gefordert, sie solle mich bitte mit Respekt behandeln und ihr Wort halten.

Zwei Stunden später hatte ich eine Antwort von ihr persönlich! Nachdem ich ein halbes Jahr lang keine Reaktion bekommen habe, ging es jetzt plötzlich so schnell. Sie versicherte mir, dass wir diese Worksession jetzt im Frühjahr machen, da müsse ihre Assistentin wohl wegen Deutsch/Englisch was falsch verstanden haben. Sie mache mit gezielten Sängern sehr wohl Auditions und wegen der kleinen Rollen für die nächste Saison wisse sie dann in den nächsten Wochen mehr.

Entschuldigung? Ist das euer Ernst? Wollt ihr mir damit sagen, dass ich die Chance meines Lebens verpasst hätte, wenn ich jetzt nicht frech geworden wäre und eure Antwort einfach hingenommen hätte? Das hat meine Grundeinstellung von wegen, man soll die Dinge so akzeptieren, wie sie sind im Kern erschüttert.

Denk jetzt mal ernsthaft nach, wie oft du dich hast abwimmeln lassen. Ich finde diese Respektlosigkeit den Künstlern gegenüber eine Frechheit.
Natürlich kann jeder Mensch mal etwas vergessen, aber … Ich möchte dich dazu auffordern, nicht immer sofort nachzugeben, dich zu wehren und deinen „Vorgesetzten“ auf Augenhöhe zu begegnen. Die veralteten Hierarchien können nur durchbrochen werden, wenn wir Künstler*innen anfangen für uns einzustehen, ohne ständig Angst zu haben, dass es den nächsten Job kosten könnte.

Ich wünsche mir eine Theaterwelt, in der die Künstler als das behandelt werden, was sie sind: Nämlich die Protagonisten, die vorne auf der Bühne stehen und ihr Innerstes nach Aussen kehren. Ohne uns läuft gar nichts. Also egal ob Künstler oder Vorgesetzter: Versuche dich doch mal an dem Experiment, in deinem Alltag das Gegenteil von dem zu machen, was du normalerweise tust und beobachte, wie sich dein Leben verändert.

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