Puppe oder Spieler?

Ist man als Darsteller*in Objekt oder Subjekt? Eine Puppe? Spielt man den eigenen Körper oder wird man gespielt? Was bedeutet das für neuere Formen der Darstellung? Corinne Soland taucht in die philosophische Tiefe der Schauspielerei.

Fühlt ihr euch manchmal wie Puppen als Darstellende Künstler*innen? Mit denen irgendwelche Andere halt so machen, was sie wollen?

Puppenspiel und Schauspiel ist ja verwandt, von daher erstaunt das nicht. Es sind erstmal Körper, die auf einer Bühne bewegt werden. Im Falle des Puppentheaters in dessen Anfängen zu unterschiedlichen Zwecken: es gab das Puppen- oder Marionettentheater eher europäischer aka westlicher Tradition, das auf Unterhaltung der Menschen aus war. Und dann gab es das Puppen- und Marionettentheater des asiatischen Raumes und Nahen und Mittleren Ostens, das eher die Gottheiten als Zuschauende annahm. Ausnahmen natürlich überall inkludiert.

Körper also, die zu einem bestimmten Zweck auf einer Bühne bewegt werden. Natürlich kommt da die Frage auf: von wem? Das ist relativ einfach: auch von Körpern! Nun gut, ich mache es mir damit etwas einfach, es gibt heute zum Beispiel auch Maschinen, die einzig für den Zweck designt werden, Puppen zu spielen – doch ich möchte es für den Zweck dieser Kolumne kurz darauf herunterbrechen. Ausserdem vernachlässige ich in diesem Text auch die Stimme (die zum Beispiel im Bunraku, einer traditionellen japanischen Form des Puppentheaters, als Element ihre ganz eigene Funktion hat), es sei mir verziehen.

Der eigene Körper als Puppenspieler*in

Da gibt es also Körper, die Objekte sind, die handgefertigt werden aus Holz, Stoff, Plastik, Leder, Stopfwolle, Fäden und so weiter und so fort. Nennen wir sie Puppen. Diese Objekte werden durch Subjekte, nennen wir sie Spieler:innen, so bewegt, dass sie für die Zuschauenden als Subjekte wahrgenommen werden. Sie erhalten durch eine Erzählung, möge sie auch noch so minimal sein, ein Eigenleben.

Dann gibt es Körper, die Subjekte sind, nennen wir sie Schauspielende, welche ihrerseits eine virtuelle Person erschaffen. Diese Person gibt es nicht wirklich, eigentlich existiert sie irgendwo zwischen Text und Körper und als Wechselwirkung in den Köpfen der Spielenden und der Zuschauenden. Und doch gibt es ja einen Körper für diese virtuelle Figur, den Körper der:s Spielenden. Also ist auch das eine Subjekt-Werdung durch die Hilfestellung eines Körpers. (Was bedeuten würde, dass wir das, was virtuell entsteht, als Objekt bezeichnen könnten, was natürlich die Frage aufmacht: wann beginnt ein Subjekt?).

Seid ihr noch dabei?

Wenn ich heute in den Motion Capture Anzug reinsteige und die 3D Bühne betrete, dann bin ich beides. Ich bin der Körper, der spielt und ich bin der Körper, der gespielt wird. Ich bin gleichzeitig die:r Puppenspieler:in und die Puppe. Wenn ich meinen Arm hebe, dann hebt sich auch der Arm der digitalen Puppe. Da sie exakt genau meine Bewegungen ausführt, mache ich nicht die für das Puppenspiel und Marionettentheater typischen Bewegungen, um die Darstellung der Puppe möglichst lebensecht erscheinen zu lassen: ich selbst muss meinen Körper so bewegen, dass es möglichst lebensecht aussieht. Also wie Schauspiel. Aber halt mit einer Puppe, die “realtime”, gleichzeitig mit mir, als Spiegel funktioniert.

Wir könnten also von einer neuen Berufsgattung sprechen. Es ist ein anderes Feld als Schauspiel, in dem dein Körper das repräsentiert, was du darstellen möchtest. Und es ist ein anderes Feld als das Puppen- und Marionettentheater, in welchem dein Körper die Repräsentation unterstützt, die du mit einem anderen Körper darstellen möchtest.

Sucht Autonomie in der Darstellung

Es ist eine Vermischung, ein “Entanglement”, eine Verwebung, ein Miteinander-Durcheinander, ein Ermöglichen und eine Erweiterung.

Wenn ihr also wieder einmal das Gefühl habt, mit euch “wird gemacht” auf der Bühne – überlegt euch, ob ihr euch als Subjekt oder als Objekt behandelt fühlt. Und wo genau liegt da eure Trennlinie? Wann nehmt ihr euch als Subjekt wahrgenommen und ernst genommen?

Oder in der Erarbeitung eurer Figur: Fühlt sie sich noch etwas “objekt-artig” an? Was braucht sie, um Subjekt zu werden? Muss der Körper eventuell anders involviert sein – ob Puppenkörper oder euer eigener?

Corinne Soland schreibt im ENSEMBLE zum Leben in einer als Darsteller*in im 21. Jahrhundert. Corinne spielt “Anna” in Neumatt, “Isabelle” in Monsieur Claude und seine Töchter (Bernhard Theater), “Emma” im VR Game Amazing Monster! und spricht als “Jimmy” und “Dimitri” im Guetnachtgschichtli. Corinne lebt in Basel und unterrichtet Motion Capture Schauspiel an interessierte Spielende.

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