«Netzwerk ist Arbeit, nicht Freundschaft»
Wie wichtig ist mein Netzwerk? Lange habe ich nicht begriffen, welche Bedeutung Kontakte haben können. Obwohl mein erstes Engagement daher zustande kam, dass ich meine Mutter ins Theater begleitet habe und dem Regisseur Fanbriefe geschrieben habe, realisierte ich lange nicht, was es eigentlich bedeutete.
Vermutlich gerade deshalb, weil es für mich selbstverständlich war als Kind und ich scheinbar „nichts“ dafür tun musste. Aus jetziger Sicht tat ich aber sehr viel.
Auf der Bühne aufgewachsen
Mit knapp 12 Jahren in meiner kindlichen Naivität überlegte ich gar nicht, wie es ankommt. Ich wollte einfach meine Gefühle und meine Begeisterung zum Ausdruck bringen. Ich schrieb in Briefen an einen Regisseur, dass ich wütend war, weil zu jung, um bei Space Dream mitzumachen. Und ich meinte es auch wirklich so. Das Leben zeigte mir schon damals, dass ALLES möglich ist. Da der Chor mit Laien besetzt war, durfte ich nach einem halben Jahr im Volk mitsingen und spielen.
Da ich im letzten Jahr dann auch als Jüngste eine kleine Rolle übernehmen durfte und meinen ersten Freund im Team hatte, war ich natürlich in aller Munde. In diesen 5 Jahren lernte ich so viele Menschen kennen, dass ich noch heute, 29 Jahre später immer wieder mit Darstellern von damals zusammenarbeite!
Beziehungen pflegen
Die Herausforderung bei so vielen Kontakten ist es, irgendwie in Verbindung zu bleiben. Damals gab es noch keine sozialen Medien, aber ich habe aufgrund der Geschichte und der langen Spielzeit das Glück, dass ich den Meisten in Erinnerung geblieben bin. Heutzutage läuft das anders. Ich vergesse ja selbst die Namen meiner Kollegen, mit denen ich vor ein paar Jahren gearbeitet habe.
Die Spielzeiten sind kurz und als freischaffende Künstlerin bin ich in so vielen verschiedenen Bereichen tätig, dass der Kontaktverschleiss enorm ist. Deshalb feiere ich Facebook und Instagram, um wenigstens mit einem Teil meiner Bekanntschaften in Verbindung zu bleiben. Auch wenn ich manchmal keine Lust habe etwas zu posten, ist es doch eine dankbare Möglichkeit sichtbar zu bleiben und in Erinnerung gerufen zu werden.
Netzwerk ist sowohl Arbeit wie auch Investition
Das alleine reicht aber leider nicht. Da ich in den letzten 15 Jahren zwei Spartenwechsel vollzogen habe, wurde mir bewusst, wie es auch in den künstlerischen Bereichen Grüppchenbildungen und Mafiasysteme gibt. Die Qualität ist nicht immer das Wichtigste, vielmehr geht es um die Kosten-Nutzenrechnung, um zwischenmenschliche Beziehungen oder Kontakte. Ich rate euch, geht zu diesen Premièren und Anlässen, wo die Kollegen wieder auftauchen und mischt euch unter die Leute.
Manchmal genügt es nur ein paar Worte zu wechseln, um wieder einen Eindruck zu hinterlassen oder den nächsten Job zu ergattern. Ich habe realisiert, dass es oft gar nicht um den Smalltalk geht, sondern um sich auf dem Markt wieder neu zu positionieren. Erzählt den Kollegen, was ihr macht und noch wichtiger, was ihr machen wollt und schafft Verbindung zu Menschen, die sie kennen. Der soziale Teil unseres Berufes darf nicht unterschätzt werden.
Hemmungen überwinden
Obwohl mein Verstand mir immer wieder einredet, dass es peinlich ist, habe ich angefangen bei meinen Bewerbungen und Begegnungen Grüsse auszurichten und zu erzählen mit wem ich wo gearbeitet habe. Und siehe da, diese Kontakte haben mir Jobs gebracht, weil die Leute dadurch das Gefühl hatten, sie kennen mich schon. Dieser Mechanismus ist echt erschreckend, aber gut. Nutze es!
Momentan cruise ich im ganzen deutschsprachigen Raum umher und darf endlich an Opernhäusern vorsingen. Und warum? Weil ich mein Netzwerk immer wieder durchforsche und reaktiviere. Gerade erst bei einem Vorsingen war der Pianist, der mich begleiten sollte, desinteressiert und reserviert. Obwohl meine Stimme im Kopf sagte: „Ach lass ihn in Ruhe“, überwand ich mich und sagte: „Wir haben schon mal ein Konzert zusammen gemacht“ …plötzlich ging sein
Blick auf, er schaute mich richtig an und erinnerte sich sofort! Danach war die Anspielprobe total angenehm und das Zusammenspiel bei Vorsingen perfekt!
Auch wenn ich das nicht verstehe, muss ich doch zur Kenntnis nehmen, dass Menschen anders arbeiten, wenn eine persönliche Beziehung besteht. Sie fühlen sich wohler,
entspannter, sind meistens offener und gutmütiger. Schlussendlich lebt davon ein gutes Netzwerk.
Netzwerk ist nicht Freundschaft
Wenn sich die Verantwortlichen dann von dir abwenden, wenn du mal krank bist oder ihnen eine Absage schickst, merkst du erst, wie sie ticken. Du kannst über Monate als beste Mitarbeiterin geschätzt sein, aber wenn du „Schwierigkeiten“ bringst, kann es gut sein, dass sie nicht mehr mit dir arbeiten wollen, auch wenn du vorher quasi zur Familie gehört hast.
Wozu dann mein Netzwerk pflegen, wenn es doch so schnell-lebig ist und ich mich nicht darauf verlassen kann? Ich rede eher von Netzwerk nutzen. Denn wenn du dem Netzwerk nicht mehr „nützt“, kann es sein, dass man dich fallen lässt. Aus diesem Grund drehen wir es jetzt um:
„Ich lasse mich nicht mehr von meinem Netzwerk benutzen, sondern ich nutze es!“
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!