Care-Time-Rechner: Chance für die Grossen

Vorstellungen und Proben am Abend? Am Wochenende? Dafür gibts keine finanzielle Unterstützung für Kinderbetreuung. Mit dem Rechner von FemaleAct kann jede*r kalkulieren, welche Kosten dadurch entstehen.

Der Online-Kalkulator der Gruppe FemaleAct* zur Berechnung der nicht-subventionierten Care-Time bei Bühnen- und Film-Engagements ist ein sehr einfaches Tool: Man gibt seine Arbeitszeiten ein, und der Rechner gibt an, wie viel Arbeitsstunden man zusätzlich leisten, bzw. organisieren muss, um seiner Tätigkeit nachzugehen, wenn kein subventionierter Kita-Platz zur Verfügung steht. Das wird dann in bare Münze umgerechnet.

Gerechnet wird ab 18 Uhr und an den Wochenenden. Jede*r darstellende Künstler*in mit Kindern kennt diese Herausforderung. Jetzt kann man den Zusatzaufwand auch in Geld beziffern. Das macht die Sache plötzlich weit politischer, als man auf den ersten Blick denken würde.

Der erste Ansatz des Rechners ist es, den Betroffenen Zahlen und Forderungsgrundlage bei Gagenverhandlungen zu geben. Aber wie wir alle wissen, ist das nicht so einfach. Individuelle Darsteller*innen sind in Schweizer Theater-, Tanz- und Performance-Produktionen einem hohen Konkurrenzdruck ausgeliefert. Fordert man/frau zu viel, wird man/frau als „schwierig“ eingeordnet und verbaut sich zukünftige Chancen in der doch eher kleinen Branche in der Schweiz. Noch immer gilt: Wer Kunst machen will, soll gefälligst Opfer dafür bringen. Das ist ein systemischer Fehler, den Einzelne nicht lösen können.

Theater: „Vereinbarkeit ja! Aber …“

Fragt man bei den grossen Theaterhäusern und Bühnen nach, stehen alle mit dem Brustton der Überzeugung für die Vereinigung von Familie und Beruf ein. Keine Frage! Rechnet man diese Vereinbarkeit in Geld um, wird es sehr, sehr leise. Die Verantwortung, Familie und Beruf unter einen Hut zu kriegen, wird dann plötzlich auf die Künstler*innen abgewälzt.

Mit dem Kalkulator von FemaleAct ist jetzt ein Tool vorhanden, das es ermöglicht, schon bei der Budgetierung von Projekten die Care-Arbeit einzurechnen und sie in die Gagen einzubeziehen. Uns ist klar, dass kleinere Produktionen keinen vollen Ausgleich finanzieren können, ohne die eigene Existenz zu gefährden. Aber bei den grossen, stark subventionierten Häusern, ergibt sich jetzt die Gelegenheit, einen Kulturwandel anzustossen und zusätzlich erbrachte Leistung im Budget zu berücksichtigen, die es den Künstler*innen überhaupt erst ermöglicht, ihren Job zu machen.

Es geht nicht, dass Subventionen von Bund, Kanton oder Stadt für Jobs eingesetzt werden, die den Aufwand für die Kinderbetreuung ausserhalb der Normzeiten einfach auf die Arbeitnehmer*in abwälzt. Dasselbe gilt für Filmproduktionen, die von SRF – und damit indirekt von der Öffentlichkeit – mitfinanziert werden.

Aber woher soll denn das Geld kommen?

Die Frage nach der Finanzierung wird wohl als Erstes kommen, um eine Einführung des Tools bei Gagenberechnungen auszuschliessen. Und da sind wir auch schon beim Hauptproblem: Bei den meisten grossen Häusern, oft im sechsstelligen Bereich subventioniert, fehlt es an Transparenz bei der Verteilung von Geldern. Gagen sind nicht aufgeschlüsselt und niemand weiss ( auch die Subventionsgeber nicht), wer warum wie viel bekommt. Dazu kommt der Genie-Kult, der einzelnen „Stars“ einen grossen Anteil der zur Verfügung stehenden Gelder hinterherwirft, während andere mit dem Mindestansatz abgespiesen werden.

Jetzt wäre es an der Zeit, den vollmundigen Bekenntnissen zur Vereinbarkeit auch Taten folgen zu lassen: mit finanzieller Berücksichtigung von Care-Arbeit ausserhalb der Normzeiten – und mit mehr Transparenz in der Gagenberechnung.

FemaleAct ist ein Zusammenschluss von FINTA Schauspieler*innen, die in der Schweiz leben und arbeiten. Sie identifizieren Lücken in den Darstellenden Künsten und entwickeln Projekte, um einen notwendigen Strukturwandel zu beschleunigen. Für mehr Gleichstellung und Diversität im Film und auf der Bühne! Zur Seite.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert