3800 Bewerbungen für 28 Ensemble-Plätze

Cathy Marston stellt in ihrem Einstand am Opernhaus das Ensemble neu auf. Der Wechsel der Direktorin zeigt exemplarisch den Druck, unter dem Tänzer*innen in ihrer Karriere stehen.

3800 internationale Top-Tänzeri*nnen hatten sich beim Opernhaus Zürich Opernhaus für einen Platz im neu aufgestellten Ensemble beworben, wie der Tagesanzeiger berichtet. Das sind mehr als 100 pro zu besetzendem Platz. 300 durften zum Vortanzen kommen, 28 haben es schliesslich geschafft: 19 für die Hauptcompany, 9 im Junior Ballett. Ensemble und Nachwuchscompany zusammengezählt, umfasst das Zürcher Ballett wie zuvor 50 Bühnentänzerinnen und -tänzer: 25 Frauen und 25 Männer.

Cathy Marston hat die Direktion am Opernhaus übernommen.

Beim Wechsel einer künstlerischen Leitung verlieren auch Tänzer*innen den Job, wenn sie nicht das Glück haben, mit dem verabschiedenden Direktor mitgehen zu dürfen. Jan Casier, Matthew Knight, Michelle Willems, Rafaelle Queiroz und weitere sind Christian Spuck ans Staatsballett Berlin gefolgt. Andere, wie die langjährige Solistin Katja Wünsche, die 2012 zusammen mit Spuck aus Stuttgart nach Zürich gekommen war, haben ihre aktive Bühnenkarriere beendet.

System behandelt Tänzer*innen wie Ware

Der Wechsel am Opernhaus zeigt exemplarisch, wie sehr Tänzer*innen unter Druck stehen. Das System „Ballett“, das in dieser Form noch aus den 1950er Jahren mitgeschleppt wurde, sieht Künstler*innen als Ressource. Es gibt genug davon. Das führt zu einem krassen Wettbewerb, der sich in Form und Qualität auch toxisch auf die Ausbildung auswirkt. Wenige Solist*innen können es sich in ihrer Karriere leisten, quer durch die Welt zu ziehen und dabei vielleicht auch noch eine Familie zu gründen. Sie haben das Rampenlicht, die anderen, ebenfalls bestens ausgebildeten Tänzer*innen, kämpfen um jede Anstellung.

Aus Verbandssicht ist es auch sehr schwer, diese international um Stellen konkurrierenden Künstler*innen zu vertreten. Die Angst, keine Anstellung mehr zu bekommen, wenn man sich kritisch äussert oder sich für bessere Bedingungen einsetzt, ist immens, wie eine Umfrage von SzeneSchweiz Anfang dieses Jahres ans Licht brachte.

Die hierarchischen Strukturen und die ungleiche Gewichtung der künstlerischen Leistung zwischen Direktion und Ensemble müssen überdacht werden. Tänzer*innen sind keine Knetmasse, aus der man einfach ein Kunstwerk formen kann. Sie sind Profis, die, wie alle anderen, ein sicheres und planbares Arbeitsumfeld verdient haben.

 

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