Hollywood streikt gegen AI – und wie siehts in der Schweiz aus?

Die Schauspieler*innen in Hollywood streiken für mehr Lohn. Was? Man würde doch davon ausgehen, dass Hollywood-Darsteller*innen den grossen Preis gewonnen hätten. Das mag für einige bekannte Grössen stimmen, aber nicht einmal bei denen ist das sicher.

Die meisten Nebenrollen in Kinofilmen und die Seriendarsteller*innen, die wir auf Netflix, Disney, Amazon etc. sehen, können nicht von ihrem Job leben und müssen Zweit- und Drittjobs annehmen. In der Schweiz wäre das nichts Aussergewöhnliches, haben doch die meisten Darsteller*innen auch noch einen Brotjob. Der Unterschied ist, dass in der Schweiz TV- und Kinoproduktionen meist staatlich unterstützt werden müssen, um überhaupt gedreht werden zu können.

In den USA verdienen aber Studios und Streamingdienste Hunderte Millionen. Ein CEO eines grossen Studios kassiert bis zu 400 Mal mehr als der kleinste Angestellte. Gerade bei den Streamingdiensten und den Serien, die weltweit geschätzt werden, sind die Tantiemen, die am Ende bei den Schauspieler*innen landen, minim. Darum wehren sich die Organisationen, die Schauspieler*innen vertreten.

Hier ein Statement von Sean Gunn, bekannt aus dem Cast von Guardian of the Galaxy.

Starke Gewerkschaft

Die US-Gewerkschaft SAG-Aftra ist eine mächtige Organisation, wie es in einem Business, das Milliarden umsetzt und auch Milliarden an Gewinnen macht, zum Schutz der Mitglieder notwendig ist. Kein Studio kann einen Film produzieren, wenn die Gewerkschaft das nicht will. Und das ist ein Problem für die Hollywood-Unternehmen. Sie sind ihren Shareholdern Gewinne schuldig. Bleiben die aus, gibt es Ärger. Das betrifft nicht nur die Leinwand-Produktionen, sondern auch die Streamingdienste von Netflix, Disney und Amazon und natürlich die Zulieferer und die ganze Stadt LA.

Und damit kommt nicht nur die Filmindustrie unter Druck, auch die Werbebranche ist betroffen. Es gibt keine Werbedrehs, es gibt keine Shootings. Sogar die Influencer*innen auf Tiktok und Instamachen beim Streik mit. Niemand soll Werbung für Filme oder Projekte der grossen Studios oder der Streamingdienste machen. Auch wenn die Content Creator keine Mitglieder der Gewerkschaft sind: Wenn sie jemals in Hollywood arbeiten wollen, halten sie sich besser an die Vorgaben der Gewerkschaft.

Hier gehts zum SRF-Interview mit Ursula Häberlin vom Schweizer Syndikat Film und Video.
„Die Schweiz hat zu wenig Streikmacht“

Und da sind wir auch schon wieder beim Unterschied zur Schweiz: Die Verterter*innen der darstellenden Künstler*innen haben einfach nicht die gleichen Möglichkeiten, auch wenn man sich das vielleicht wünschen würde. In der Schweiz sind die meisten grossen Produktionen subventioniert, oder durch SRF mitfinanziert. Es gibt keinen wirklichen Druckpunkt, weil die Schweizer Filmszene keine Milliardengewinne macht. Hier sitzen Produktionsfirmen und Darsteller*innen mehr oder weniger im gleichen Boot. Fällt eine Produktion aus, verlieren alle. Es gibt nicht genug Filmprojekte, um davon reich zu werden.

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SAG-AFTRA

… hat eine vielfältige Mitgliedschaft, die aus Schauspielern, Ansagern, Rundfunkjournalisten, Nachrichtenautoren, Nachrichtenredakteuren, Programmleitern, Puppenspielern, Aufnahmekünstlern, Sängern, Stuntdarstellern, Sprecherinnen und anderen Medienfachleuten besteht.

Die SAG-AFTRA gilt funktionell als Netzwerk, in dem Mitglieder untereinander in Kontakt zueinander treten können. So gilt SAG-AFTRA auch als Schwarzes Brett für Jobs und Engagements, für die Tarifverträge mit der Gewerkschaft abgeschlossen wurden.[2] Aufgrund der Größe und des Einflusses der Gewerkschaft haben die meisten großen Medienunternehmen über den Verband der Film- und Fernsehproduzenten einen Tarifvertrag mit SAG-AFTRA geschlossen. Studios, die mit SAG-AFTRA einen Tarifvertrag abgeschlossen haben, müssen in der Regel Gewerkschaftsmitgliedern bei der Einstellung den Vorzug geben.

SAG-AFTRA hat seinen Hauptsitz in Los Angeles sowie ein weiteres nationales Büro in New York City und weitere lokale Büros im ganzen Land.

Geführt wird die Gewerkschaft zur Zeit von Fran Drescher, den älteren unter uns noch bekannt aus der 90er-Serie „Die Nanny“. Und wer die gesehen hat, weiss, dass man sich besser nicht mit der Nanny anlegt.

Das Studio besitzt dein Gesicht und deinen Körper – die AI spielt deine Rolle

Ein weiterer wichtiger Punkt im Streit: Wenn künstliche Intelligenz das Aussehen und die Stimme eine*r Darsteller*in vollkommen echt imitieren kann, wer hat dann die Rechte an diesen Bildern und Filmen?

Nehmen wir an, du gehst an ein Casting und kriegst eine Rolle in einem Film. Am Set stehst du dann einen Tag herum, lässt dich vermessen, filmen und fotografieren. Dann kannst du wieder nach Hause, weil eine AI, eine künstliche Intelligenz deine Person spielen kann. Bezahlt wirst du nur für den einen Drehtag. Dafür kann das Studio, das den Film produziert, deine Daten, dein Aussehen, deine Stimme für alle Zeiten weiterverwenden.

Das war der Vorschlag, den die Filmindustrie der Schauspieler*innen-Gewerkschaft SAG-Aftra gemacht haben. Ziemlich klar, dass diese damit nicht einverstanden sind.

Wie sieht das in der Schweiz aus?  Noch ist nichts klar, aber SzeneSchweiz ist nahe am Thema dran. Salva Leutenegger, Geschäftsführerin SzeneSchweiz: „Das Thema AI ist neu und entwickelt sich beinahe wöchentlich weiter. SzeneSchweiz wird die Auswirkungen für die Interpretenrechte zusammen mit der SIG prüfen und daraus entsprechende Richtlinien formulieren. Eine Handhabe für unsere Mitglieder werden wir hoffentlich bald liefern können.“

Manchmal ist man als darstellende Künstler*in vielleicht traurig, dass Zürich, Bern oder Basel nicht Los Angeles ist. Aber es hat sicher auch seine Vorteile, in einem Land zu leben, in dem die Regeln nicht von Multimillarden-Dollar-Unternehmen gemacht werden. Sondern von den Sozialpartnern.