«Altbacken statt Innovativ» – Zürcher Theaterförderung

In einem Gastbeitrag in der NZZ am Sonntag (Nur mit Abo) zerpflückt Pius Knüsel den Anspruch auf «Innovation», den die Stadtzürcher Kulturförderung an die kleinen Theater stellt. Die Vorstellung dieser Avantgarde stamme noch aus den 1980ern und werde der Realität der Szene nicht gerecht.

Hier ein paar Zitate aus der Kolumne:

«Bedrohte Arbeitsplätze, Verlust von Vielfalt, gegenseitige Zerfleischung: Die Schlagzeilen sind dramatisch, wie es sich fürs Theater gehört. Der Berufsverband SzeneSchweiz hat bereits 6000 Unterschriften gesammelt gegen die absehbare Schliessung von Theater Stok und Keller 62, die im Zuge der neuen Zürcher Theaterförderung ab 2026 auf Unterstützung verzichten müssen.»

Die Stadt ruft die beiden Häuser auf, sich neu auszurichten. Die Räume, so schreibt die Jury in der 58-seitigen Expertise, würde man ja gerne fürs Theater retten, bloss das Programm nicht. Ist das naiv oder sarkastisch? Denn in einem kulturellen Biotop, das von öffentlicher Förderung dominiert ist, haben andere Organisationsformen keine Chance. Selbst ein Unterhaltungstheater wie der Hechtplatz benötigt öffentliche Gelder. Es bleibt beim Anpassen oder Aufgeben.»

Zu den Ansprüchen an die Szene schreibt Knüsel:

«Ja, der Innovationsfetischismus. Das Kriterium hat sich mit dem Start der Projektförderung in den achtziger Jahren in den Beurteilungsrastern festgesetzt, von der Stadt Zürich über die Kantone bis zu Pro Helvetia. Es war sinnvoll, als es darum ging, an den Burgen der Tradition wie Opern, Stadttheatern, Orchestern vorbei die kulturelle Erneuerung voranzubringen. Das hiess Experiment im Quadrat, neue Ästhetik. So legitimierte der Staat die neue Förderpolitik.

Vierzig Jahre später, in der Periode der grenzenlosen Selbstverwirklichung, gleicht jener elitäre Innovationsbegriff allerdings einem Phantom. Die Mischung von Stilen, Künsten und Kulturen hat die Massstäbe der achtziger Jahre längst pulverisiert. Retro ist so modern wie Virtual Reality, Folklore so cool wie Improtheater, Musical so anerkannt wie neuste Musik. Forderungen wie jene nach Innovation – heute ergänzt um jene nach gesellschaftlicher Relevanz oder Diversität – nannte der Schriftsteller Lars Gustafsson bereits 1980 das Problemformulierungsprivileg der Kulturförderer. Sie ­formulieren eine Erwartung, die sie über die Wirklichkeit stülpen. Und siehe, Letztere passt nicht.»

 

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