Und bitte! Couch und Kaffee. Der Schauspielpodcast.

Hier sind wir! Das Schauspieldoppelpack Tina Kümpel & Christian Jankovski Christian mit dem Schauspielpodcast für Schauspieler*innen, solche die es werden wollen und alle, die sich für das Thema interessieren. Wir tauchen gemeinsam in die Film- und Theaterwelt ein, berichten über eigene Erfahrungen, Stolpersteine, Ups and Downs, besprechen Schauspielmethoden und diskutieren aktuelle Themen aus der Branche. Uns interessieren auch deine Geschichten, Fragen und Anliegen. Mit immer mal wieder spannenden Gästen runden wir das ganze ab.

Hör zu, sei dabei und werde Teil von uns.
Collaboration with Szene Schweiz 

In der aktuellen Folge #7: Subventionen, Lohnkampagne und Traumrolle geht es um folgende Inhalte:

Heute besprechen wir das neue Subventionskonzept Zürichs und was es für Auswirkungen auf bestehende Kleintheater hat, wer darunter leidet und wie wir dazu stehen. (Un)faire Löhne und unschöne Zustände am Set nehmen wir ebenfalls unter die Lupe. Das Fragenglas darf nicht fehlen mit einer neuen, spannenden Frage und zu guter letzt gibts einen Filmtipp, der ein brandaktuelles Thema anspricht.

Lesen Sie hier den passenden Artikel zum Thema auf ENSEMBLE Magazin.

Kleintheater vor dem Aus: Zürcher Kulturförderung auf Abwegen

Die Bewerber*innen für Kulturfördergelder der Stadt Zürich werden gegeneinander ausgespielt und undurchsichtige Entscheidungen gefährden ganze Existenzen. Der Stadtrat der Stadt Zürich streicht den beiden kleinen Zürcher Theatern STOK und Keller62 ab Ende 2025 die städtische Kulturförderung. Das kann ihr Ende bedeuten und ist ein massiver Verlust für die Zürcher Kultur.

Ein Verlust für das Publikum, die restlichen Theaterhäuser, aber auch für die dort auftretenden Theaterschaffenden und die vielen gastierenden Gruppen von Nah und Fern. Arbeitsplätze werden vernichtet, Existenzen gefährdet und Traditionen zerstört.

Ich schreibe hier als Kulturkonsument, nicht als Teil der Szene und von Aussen gesehen ist dieser Entscheid nicht nachvollziehbar. Noch 2018 stellte eine unabhängige Expertengruppe aus Graz (Integrated Consulting Group) mittels grosser Studie und im Auftrag der Stadt fest, kein kulturelles Überangebot in Zürich zu finden. Wie kann es also sein, dass die gleiche Stadt drei Jahre später zum Schluss kommt, man müsse zwei etablierten Kleintheatern die Existenzgrundlage entziehen?

HIER PETITION UNTERSCHREIBEN

Im neuen Fördermodell der Stadt Zürich werden die kleinen Theater gegeneinander in einen Wettbewerb geschickt und kämpfen ums Überleben. STOK und Keller62 schenken uns jährlich um die 250 bis 280 Vorstellungen und können gegenüber der Stadt Zürich eine Selbstfinanzierung von über 70 Prozent vorweisen. Das allein belegt, dass ein Angebot, wie es die beiden Häuser liefern, von der Bevölkerung geschätzt und genutzt wird.

Fehlende Diversität?

Laut städtischer Jury soll ihren eingereichten Konzepten die „Diversität“ fehlen. Was doch eher komisch anmutet, wenn man bedenkt, dass zum Beispiel der Keller62 seit 20 Jahren, neben vielen anderen Events, ein theatrales Flaggschiff des LGBTQ+ Festivals „warmer mai“ ist und immer wieder queere Künstler:innen auf und neben der Bühne fördert und nebenbei auch noch von einem Immigranten geleitet wird. Das Theater STOK wurde von einem Exil-Polen gegründet und sein Programm ist vielfältiger als die Vielfalt selbst.

Ist es nicht eher so, dass dieser städtische Wettbewerb selbst die geforderte Diversität beschneidet? Die Menschen, die aus Zürich und der ganzen Schweiz in diese beiden Theater kamen, ob als Theaterschaffende oder als Publikum, haben jetzt keine Wahl mehr. Sie liebten die Intimität und gerade auch die Vielfalt dieser beiden Theater und werden kaum einen Ersatz finden. Denn in der durchkuratierten Landschaft gibt es keinen Platz mehr für sie.

Eine Vorstellung an den hochsubventionierten Häusern wird durchschnittlich mit knapp 80 000 Franken subventioniert. Das ist in etwa die gleiche Summe, welche die beiden kleinen Theater bisher gemeinsam und für ein ganzes Jahr an Fördermitteln bekamen. Es kann also nicht um Finanzen gehen.

Keine Hinterzimmer-Entscheide über die Existenzgrundlage echter Menschen!

Das Überleben von Kunst und Kultur darf nicht von einem kleinen, grauen Gremium in irgendeinem Hinterzimmer entschieden werden. Denn Kunst und Kultur sind immer Geschmackssache. Und sie gehören uns allen. Nur schon wegen der Vielfalt. Wir sind das Publikum. Lasst uns für unser Kulturangebot kämpfen.

Und hey, wegen der Diversität, habt ihr es gewusst? In der Sprache Wolof, in Senegal, gibt es ein Wort, das heisst „Nioukuboouku“. Es wird nur gesprochen und nicht geschrieben und bedeutet so etwas wie „es ist für uns alle“.

HIER PETITION UNTERSCHREIBEN

ZAHLEN:
KELLER62. Seit 1999 fanden hier an die 1086 Produktionen mit 2890 Vorstellungen statt. Das sind durchschnittlich 45 Produktionen und 121 Vorstellungen pro Saison. Die veranstalteten Workshops wurden von über 220 Menschen in insgesamt 26 400 Stunden besucht.
Theater STOK. In den letzten 10 Jahren fanden hier 403 Produktionen mit 1584 Vorstellungen statt. Das sind durchschnittlich 40 Produktionen und 158 Vorstellungen pro Jahr.

Vasyl Protsiuk: „In der Ukraine werden kaum mehr Filme gedreht“

Die Casterin Corinna Glaus* hat das ENSEMBLE Magazin auf den ukrainischen Schauspieler und Fotografen Vasyl Protsiuk aufmerksam gemacht, dessen Arbeiten aufwühlen und bewegen. Wir haben uns entschieden, ihm eine Bühne zu geben.

*An der diesjährigen Berlinale gab eine Art Speed Dating, zwischen Caster*innen und Schauspieler*innen aus der Ukraine. Corinna Glaus von Glaus Casting hat dort Vasyl Protsiuk kennengelernt und war von ihm und den anderen Teilnemer*innen ebenso berührt wie inspiriert.

Protsiuk lebt wie so viele geflüchtete Ukrainer*innen im Moment in Berlin und versucht dort als Schauspieler Fuss zu fassen. Daneben ist er auch Fotograf und hat sich auf Porträtfotografie für Schauspieler*innen spezialisiert. Gerne würde er seine Dienste ab sofort auch in der Schweiz anbeiten, ist jedoch noch nicht vernetzt – wir von Ensemble Magazin bieten ihm dafür eine Plattform, sich vorzustellen und seine Situation zu erklären:

Vasyl Protsiuk: Im Folgenden finden Sie den Text und ein kurzes Video zu meiner aktuellen Situation und einige Informationen über mich und mein Leben vor dem Krieg in der Ukraine.

Ich habe an der Karpenko-Kary Kiewer Nationalen Universität für Theater, Kino und Fernsehen Schauspiel studiert und mich auf Puppenspiel spezialisiert. Bereits seit Beginn meines Studiums habe ich ausserdem in Fernsehserien, Kurzfilmen und Werbespots mitgewirkt. Darunter im Kurzfilm „Battle of Kruty“, der TV-Serie „TOPTUN“, der TV-Serie „Love in chains“ und im Werbespot „Vodafone Ukraine“.

Seitdem werden in der Ukraine fast keine Filme mehr gedreht, schauspielerische Arbeit findet somit fast keinen Platz mehr. Die Arbeit ohne finanzielle Unterstützung, die es gibt, dient hauptsächlich der Unterstützung der Bevölkerung und den ukrainischen Soldaten. Die meisten Schauspieler sind auf der Suche nach zusätzlicher Arbeit oder einer Umschulung.

Vasyl Protsiuk, ukrainischer Schauspieler

Am 19.02.22 hatte ich den letzten Drehtag in der Fernsehserie „Liebe in Ketten“, und am 25.02.22 musste ich nach Warschau fahren. Aber dann traf auch mich der Krieg um 4 Uhr morgens in Kiew, mit dem bedrohlichen Lärm von Explosionen, Panzern am Stadtrand und totaler Panik in der Stadt.

Seitdem werden in der Ukraine fast keine Filme mehr gedreht, schauspielerische Arbeit findet somit fast keinen Platz mehr. Die Arbeit ohne finanzielle Unterstützung, die es gibt, dient hauptsächlich der Unterstützung der Bevölkerung und den ukrainischen Soldaten. Die meisten Schauspieler sind auf der Suche nach zusätzlicher Arbeit oder einer Umschulung.

Die zweite Sache, die ich in Polen erlebt habe, war die Positionierung und Stigmatisierung von Ukrainern als Verbrecher*innen und Opfer. Mit einem ukrainischen Akzent hat man wenig bis keine Chance, eine Rolle zu ergattern.

Jetzt bin ich in Europa, hauptsächlich in Berlin, und arbeite hier weiter als Schauspieler. Vor kurzem habe ich in einem polnischen Spielfilm über die Situation in der Ukraine mitgewirkt und dafür die Rolle eines Soldaten gespielt. Ich möchte gerne als Schauspieler in Europa arbeiten, aber es gibt dabei einige Schwierigkeiten. Erstens die Sprachbarriere – ich spreche bisher noch kein Deutsch, und um in Deutschland zu spielen, ist dies Voraussetzung. Die zweite Situation, die ich in Polen erlebt habe, war die Positionierung und Stigmatisierung von Ukrainer*innen als Verbrecher*innen und Opfer. Mit einem ukrainischen Akzent hat man somit wenig bis keine Chance, eine Rolle zu ergattern.

Neben der Schauspielerei fotografiere ich auch Portfolios und professionelle Fotografien von Schauspielern, das macht mir sehr viel Spaß. In der Ukraine habe ich mehr als 140 Schauspieler*innen portraitiert. In Berlin habe ich bereits ein kleines Fotostudio, ich fotografiere Schauspieler*innen aus verschiedenen Ländern, hauptsächlich Ukrainer*innen, weil ich unter ihnen am besten vernetzt bin. Ich würde aber gerne mehr mit europäischen Schauspieler*innen arbeiten, um sie professionell zu portriatieren und ihnen so zu helfen, mehr Angebote für Filme zu bekommen.

Helfen Sie mit, mich zu vernetzen!

Ensemble Magazin vermittelt Sie gerne direkt an Vasyl Protsiuk. Kontaktieren Sie uns per E-Mail: ensemble@szeneschweiz.ch

Manifest „Der Kulturjournalismus gehört in die Kulturbotschaft“

Der Verein ch-intercultur, der sich für Kulturkritik und für Information über kulturelles Schaffen und Leben engagiert und den Informationsaustausch über die Grenzen der Sprachregionen hinweg fördert, hat das dreisprachige Manifest „Der Kulturjournalismus gehört in die Kulturbotschaft“ lanciert, das bereits über 300 Leute unterzeichnet haben.

„Kulturjournalismus ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Kulturproduktion. Kulturproduktion ohne kritische Rückmeldung ist eine Sackgasse.“, heisst es im Manifest. Die anstehende Vernehmlassung zur vierten Kulturbotschaft des Bundesrates gebe erneut Gelegenheit zu einer Diskussion über die Aufgaben der Kulturpolitik. Bereits die Kulturbotschaft 2012-2015 hielt fest, „Informationsdefizite“ erschwerten den Zugang zur Kultur. Die Situation habe sich seither noch einmal dramatisch verschlechtert, so die InitiantInnen.

Manifest:

„Der Kulturjournalismus ist in einer prekären Situation. Ressourcen wurden massiv abgebaut, die Publikationsorte schwinden, der Nachwuchs hat keine Perspektiven und fehlt zusehends. Hauptleidtragende sind die Kunst und deren Vermittlung. Gewiss fliessen etliche Fördergelder in Marketing und Öffentlichkeitsarbeit und die Notwendigkeit dafür wird zu Recht breit anerkannt. Nur müssen daneben auch Mittel zur Verfügung stehen, um den Kunstschaffenden die unabdingbare kritische Rückmeldung zu bewahren. Kunst, die nicht journalistisch unabhängig reflektiert und so in die Gesellschaft getragen wird, verliert ihre Bedeutung. Sie spielt politisch und gesellschaftlich eine immer geringere Rolle. Über sie wird nicht mehr gestritten, das historische Gedächtnis kommt abhanden, der Förderung fehlt der Echoraum, die demokratische Legitimation bröckelt.

Kulturjournalismus ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Kulturproduktion. Kulturproduktion ohne kritische Rückmeldung ist eine Sackgasse.

Die anstehende Vernehmlassung zur vierten Kulturbotschaft des Bundesrates gibt erneut Gelegenheit zu einer Diskussion über die Aufgaben der Kulturpolitik. Bereits die Kulturbotschaft 2012-2015 hielt fest, «Informationsdefizite» erschwerten den Zugang zur Kultur. Die Situation hat sich seither noch einmal dramatisch verschlechtert.

Es ist Zeit, endlich zu handeln. Nötig sind weniger neue Gesetze als ein neuer Wille und eine neue Praxis. In den Jurys und Kommissionen ist viel Fachwissen vorhanden, doch dieses wird, wie das Kunstschaffen selbst, kaum mehr Gegenstand einer öffentlichen Diskussion, die regionen- und sprachenübergeifende Wirkung entfaltet. Der Echoraum der Medien fehlt. Um einen solchen zu schaffen, müssen neue Instrumente der Förderung entwickelt und unterstützt werden

Wir appellieren an den Bundesrat, ans Parlament, an die Kultur- und Publikumsorganisationen und nicht zuletzt an die Medien:
Die Förderung der kritischen Rückmeldung bedarf griffiger Massnahmen. Der Kulturjournalismus gehört in die Kulturbotschaft.

Hier kann man das Manifest unterschreiben!

„Existenzen sind bedroht, Arbeitsplätze gehen verloren“

Die beiden Kleintheater Keller62 und STOK verlieren voraussichtlich ihre städtische Kulturförderung. Das kann das Ende für diese Bühnen bedeuten. ENSEMBLE Magazin im Gespräch mit dem Leiter des Keller62, Lubosch Held-Hrdina. Er ist neben seiner leitenden Funktion am Theater auch als Regisseur, Autor, Übersetzer, Coach, Workshopleiter und Trainer tätig und setzt sich gezielt für den Erhalt der beiden Spielorte ein. Held-Hrdina ist davon überzeugt, dass genau solche Kleinsttheater den eigentlichen Charme der Stadt Zürich ausmachen.

Bilder: zvg Theater Keller62

Einführend das Statement von Salva Leutenegger, Geschäftsführerin von SzeneSchweiz (Verband Darstellende Künste):

„Als Berufsverband der Darstellenden Künstler*innen bedauern wir den Entscheid der Stadt Zürich, zwei Kleintheatern (Stok und Keller62) die Subventionen zu streichen. Mit diesem Entscheid baut die Stadt Arbeitsplätze für professionelle Künstler*innen ab, welche schon in prekären Verhältnissen leben müssen. Mit dem neuen Programm Konzeptförderung Tanz und Theater führt die Stadt einen ungesunden Wettbewerb unter Theaterhäusern ein, der letztlich zu Lasten der Theaterschaffenden und des Publikums geht. Corinne Mauch beklagt im Artikel „Zürcher Kultur-Subventionen – Für den Keller62 und das Theater Stok wird es eng“ im Tages-Anzeiger vom 18.04. die mangelnde Vielfalt der betroffenen Theater. Aber gleichzeitig wird mit der Streichung der Subventionen die Vielfalt der Kleinkunst vernichtet. Am Ende gibt es nur Verlierer.“

Interview

 

Ensemble Magazin: Wie sah die bisherige Situation des Theaters aus und was hat sich geändert?

Lubosch Held-Hrdina: Seit mehreren Jahrzehnten leisten die beiden kleinsten Zürcher Theater, Keller62 und STOK, grosse und engagierte Arbeit im Bereich Sprech- und Tanztheater. Sie haben sich ein Publikum erspielt, ohne jegliche Unterstützung begonnen, dann eine erste öffentliche Unterstützung bekommen, bis die Kontinuität und die Qualität ihrer Arbeit schliesslich in Form von (zunächst sehr kleinen) Subventionsbeiträgen gewürdigt wurde. Die Qualität ihrer Arbeit wurde stets geprüft und für unterstützungswürdig befunden.

Nun haben die Stadt Zürich und Frau Corine Mauch entschieden, sie ab 2025 nicht mehr unterstützen zu wollen. Laut Stadtrat tragen die beiden Theater und ihre Konzepte zu wenig zur Vielfalt des kulturellen Angebots, zur Innovation und zur Vernetzung der Tanz- und Theaterlandschaft bei. Man stuft die Bedeutung der beiden Theater für die Gesamtlandschaft als zu wenig dringlich und überzeugend ein.

Was bedeuten die Veränderungen spezifisch für euch und was ist daran ungerecht?

Wir sind schockiert. Existenzen sind bedroht, Arbeitsplätze gehen verloren, auch die Tradition scheint nicht viel zu zählen. Von dem ganzen Herzblut gar nicht zu reden.

Was, denken Sie, passiert mit dem Publikum?

Es ist ein Trugschluss, zu denken, dass sich das Publikum auf andere Häuser umlenken lässt. Und: Wenn diese zwei traditionsreichen „Kleinsthäuser“ wirklich zugehen sollten, würden die Theaterschaffenden zwei Spielorte verlieren, die für sie ebenfalls existenziell sind. Es bereitet mir grosse Sorgen, wo die Betroffenen in Zukunft ihrer Arbeit nachgehen sollen. Der Keller62 decke eine Nische ab, die alle anderen geförderten Theater nicht bespielen — all die Produktionen, die von den stark durchprogrammierten, beziehungsweise kuratierten Häusern nicht berücksichtigt werden können, finden hier eine Bühne.

Es werden Existenzen bedroht, Arbeitsplätze gehen verloren, auch die Tradition scheint nicht viel zu zählen.

Hier spielen besonders der Nachwuchs eine Rolle, als auch Theaterschaffende, die im „normalen“ Theaterbetrieb oftmals keinen Stand mehr finden, weil sie beispielsweise zu alt sind. Der Keller62 kann somit als Schnittpunkt in der Kulturlandschaft verstanden werden und erzeut eine unheimlich wertvolle Energie und Kreativität. Das merkt auch das Publikum, welches gerne solche Kleinode besucht, auch weil sie fern von jeglichem Schickschnack sind, und das pure Herz ist hier zum Greifen nah ist. Intimer geht es kaum. Konkret und ohne Emotion lässt sich die Situation so zusammenfassen: In den beiden Kleintheatern finden pro Saison zusammengerechnet etwa 280 Aufführungen mit allen Konsequenzen (Arbeitsplatz, Spielort, Publikum, Kurse, etc.) statt. Es stellt sich für mich die dringliche Frage, wie die Zukunft der beiden Kleintheater aussieht.

Der Keller62 kann somit als Schnittpunkt in der Kulturlandschaft verstanden werden und erzeut eine unheimlich wertvolle Energie und Kreativität.

Was zeichnet den Keller62 desweiteren als Spielstätte im Hinblick auf die Kulturlandschaft in Zürich aus?

Der Keller62 ist zudem auch eine zuverlässige Anlaufstelle für auswärtige Gastspiele. Zum Beispiel die Bündner Theaterschaffenden, die ihre Stücke auch in Zürich zeigen wollen. Es gibt auch regelmässige Kontakte zum Rätoromanischen, oder ins Tessin, Freiburg, Berlin, und Prag. Zudem gibt es  zwei Festivals, wo die verschiedenen Sprachen sich kreuzen. Ich frage mich, wo all diese Projekte nun gespielt werden sollen? Was passiert mit dem Publikum, das all diese Stücke sehen will? Und eben, die Newcomer und „Oldcomer“, die sich gegenseitig in ihrem Schaffen befruchten. Wir fördern neue Gruppen, haben auch einen speziellen Kanal dafür, wir wollen das Theater ins Leben bringen. Wir machen Workshops. All das stärkt die Diversität und Teilhabe ungemein. Soll das alles verschwinden?

Wir fördern neue Gruppen, haben auch einen speziellen Kanal dafür, wir wollen das Theater ins Leben bringen. Wir machen Workshops. All das stärkt die Diversität und Teilhabe ungemein.

Die Absurdität der Entscheidung wird einem bewusst, wenn man aus der stadträtlichen Begründung erfährt, was die Jury empfieht. Sie möchte den Keller62 und das Theater STOK als Spielorte für die Freie Szene aufrecht erhalten. Diese Orte würden benötigt, weil der Bedarf an geeigneten Räumlichkeiten in der Zürcher Tanz- und Theaterlandschaft gross ist und deswegen ihre Schliessung für die Gesamtlandschaft und ihre potenzielle Vielfalt nicht förderlich wäre. Was ja auch stimmt, die Not an Spielorten ist gross, gerade nach Corona. Aber gleichzeitig wird uns die Subvention gestrichen? Wie geht das zusammen?

Wie begründet die Jury diesen Entscheid?

Den beiden Häusern würde es an Vielfalt und Vernetzung fehlen, meint die Jury des Stadtrats. Der Keller62 würde zu wenig zur Vielfalt des Angebots, zur Innovation und zur Vernetzung der Tanz- und Theaterlandschaft beitragen. Beim STOK wird ein ähnliches Urteil gefällt – was beides befremdlich ist.

Das neue Förderungsmodell hinterlässt viele Fragen und viele unschöne Baustellen, auch bei den Institutionen, die weiterhin gefördert werden sollen.

Wie fallen die Reaktionen darauf aus?

Wie man hört, herrscht nach diesen Entscheiden fast in der ganzen Szene ein Erwachen. Das neue Förderungsmodell hinterlässt viele Fragen und viele unschöne Baustellen, auch bei den Institutionen, die weiterhin gefördert werden sollen. Denn auch bei ihnen decken sich Versprechungen und Erwartungen nicht mit dem Resultat. Ich finde folgenden Umstand bemerkenswert: Am Anfang der neuen Förderung vor 7 Jahren vergab die Stadt Zürich einen grossen Auftrag an eine externe Firma, die „Integrated Consulting Group“ aus Graz, Österreich. Sie sollte für viel Geld die gesamte Theaterlandschaft auf Herz und Nieren prüfen. Dies tat sie auch. Das Resultat war eigentlich sehr erfreulich, denn die Befürchtung, es gäbe ein Überangebot bestätigte sich überhaupt nicht. Im Gegenteil, es bescheinigte Zürich einen guten Wachstum und eine gesunde, diverse und gut entwickelte Theaterszene. Warum hat sich der Stadtrat nicht daran orientiert und streicht nun ausgerechnet den zwei kleinsten, schwächsten und billigsten Kleintheatern die Subvention? Was ist der Sinn und die Logik? So viel Theater für so wenig Geld liefert sonst keine andere Bühne der Stadt.

Nicht nur die Vielfalt von Inhalt, Häusern, Gruppen und Publikum wird durch die neue städtische Förderung beschnitten, sondern es wird auch die Entwicklung der ganzen Theaterlandschaft erheblich erschwert, bis verhindert.

Was könnten mögliche Konsequenzen darauf sein?

Bei der nächsten Subventionsvergabe wird wohl wieder ein Theater gestrichen werden, denn dies ist das Prinzip des neuen Fördermodells – der Wettbewerb an sich. Aber darf man Kunst überhaupt in einen existentiellen Wettbewerb schicken? In Zukunft wird jede Weiterentwicklung eines Hauses nur auf Kosten eines anderen Theaters möglich sein. Das soll Fortschritt und Innovation sein? Nicht nur die Vielfalt von Inhalt, Häusern, Gruppen und Publikum wird durch die neue städtische Förderung beschnitten, sondern es wird auch die Entwicklung der ganzen Theaterlandschaft erheblich erschwert, bis verhindert.

Die positive Energie, die dieses aussergewöhnliche Theater besitzt, ist einmalig. Dieser mauersteinige Keller hat uns, und vielen anderen, so viel gegeben, jetzt ist es an der Zeit, ihm etwas zurückzugeben.

Wie sieht die mögliche Zukunftsplanung aus und/oder was sind Lösungsansätze für die bestehende Problematik?

Ich denke, (auch wenn ich jetzt nur für den Keller62 spreche, weil die Situation im STOK noch viel komplizierter ist,) der Keller62 wird auch diese Katastrophe umschiffen und oder lösen können. Die positive Energie, die dieses aussergewöhnliche Theater besitzt, ist einmalig. Dieser mauersteinige Keller hat uns, und vielen anderen, so viel gegeben, jetzt ist es an der Zeit, ihm etwas zurückzugeben. Wir kämpfen, damit er am Leben bleibt! Auch weil so viel daran hängt. Nicht nur Einzelschicksale mit Kindern und Familien, sondern auch ganze Entwicklungen. Es ist klar, ein Theater ohne eine Subvention zu betreiben ist praktisch unmöglich. Aber wir werden versuchen, auch mit der Stadt Zürich, eine andere, oder neue Lösung zu finden. Und wir werden sofort mit dem Aufbau einer Lobby beginnen. Diese beiden Theater müssen erhalten bleiben, da sind wir uns ja mit der Jury einig. Auch die enorme Solidarität ist gut spürbar. Und wird immer stärker. Gleich nach der Bekanntmachung haben sich die ersten Menschen gemeldet, die uns helfen wollen. Leider war bisher kein Grossgönner dabei – dann wären wir unabhängig.

Was ist sonst noch geplant im Rahmen aktivistischer Arbeit?

Wir werden zudem eine Kampagne starten. Und in neue Richtungen denken, beispielsweise die Grossen für die Kleinen begeistern. Neue Szenarien entwickeln. Aber selbst dann wird es knapp, eine echte Zukunft ohne Subvention ist kaum möglich. Kein Theater der Welt kann das stemmen. Aber eine Subvention ist relativ. Wir sprechen da von etwa 300 Subventionsfranken pro Vorstellung, mit denen die beiden Kleinstbühnen im Schnitt und pro Vorstellung von der Stadt bisher unterstützt wurden. Für den Vergleich, beim grössten Zürcher Theater sind es etwa 78 000.- Franken und bei den übrigen kleinen Häusern beträgt dieser Mittelwert etwa 3 500.- Subventionsfranken pro Vorstellung. Wo ist die Logik? Der Keller62 und das STOK bekommen im Schnitt 300 Subventionsfranken pro Vorstellung. Die Stadt Zürich möchte nun dieses Geld für sich gewinnen. Und verliert dabei so viel.

Also lautet mein Wunsch an die Politik, bitte züchten sie keine kulturellen Hochleistungsbetriebe, die einander immer ähnlicher werden. Richten sie Ihren Blick nicht nur an die Spitze und ihre Topleistungen, folgen Sie nicht nur dem Glanz. Jede Pyramide braucht ein gutes Fundament. Unterstützen sie die Basis, die kleinen und kleinsten Spielorte der Kunst, des Theaters. Denn sie sind es, die Ihnen aus tiefster Überzeugung die späteren Erfolge bringen, die nach ganz Europa strahlen.

Wie sehen eure Wünsche seitens Politik aus?

Die Kreativität, aber auch die Leistung, entsteht an der Basis. Also lautet mein Wunsch an die Politik, bitte züchten sie keine kulturellen Hochleistungsbetriebe, die einander immer ähnlicher werden. Richten sie Ihren Blick nicht nur an die Spitze und ihre Topleistungen, folgen Sie nicht nur dem Glanz. Jede Pyramide braucht ein gutes Fundament. Unterstützen sie die Basis, die kleinen und kleinsten Spielorte der Kunst, des Theaters. Denn sie sind es, die Ihnen aus tiefster Überzeugung die späteren Erfolge bringen, die nach ganz Europa strahlen. Viel Mondänes und Übersattes zeigt Zürich der Welt – aber sind es nicht Orte wie der Keller62, die den wahren Zauber dieser Stadt ausmachen? Schenken Sie dem Keller62 und dem Theater STOK Ihr Herz.

Die Stadt Zürich spart durch die Streichung der beiden Subventionen Sfr. 83 500.- jährlich ein und verzichtet dafür auf zwei dringend benötigte, etablierte Spielorte mit durchschnittlichen 279 Vorstellungen und 86 Produktionen pro Jahr. Die Vorstellungen im Keller62 und im Theater STOK werden von der Stadt Zürich zusammengerechnet mit Sfr. 299 pro Vorstellung subventioniert. Durchschnittlich werden die übrigen Zürcher Kleintheater mit Sfr. 3 476.- pro Vorstellung subventioniert, das Schauspielhaus mit Sfr. 78 000. (Quelle hier)

Theater Keller62 

  • Seit 1999 fanden hier 1086 Produktionen mit 2890 Vorstellungen statt.
  • Das sind im Schnitt 45 Produktionen und 121 Vorstellungen pro Jahr.
  • Weiter veranstaltete Keller62 zusätzlich an die 35 Workshops. Sie wurden von über 220 Menschen in insgesamt 26 400 Stunden besucht.
  • Der interne Proberaum wird kostengünstig der Freien Szene zur Verfügung gestellt.
  • Der Keller62 hat eine Selbstfinanzierungsquote von über 70%. Die Auslastung beträgt 71,3 %.
  • Jährliche Gesamteinnahmen/Ausgaben Verein Keller62: ca. Sfr. 180 000.-
  • Das Theater wird mit einem städtischen Beitrag von Sfr. 50 000.- unterstützt.

Theater STOK

  • In den letzten 10 Jahren fanden hier 403 Produktionen mit 1584 Vorstellungen statt.
  • Das sind im Schnitt 40 Produktionen und 158 Vorstellungen pro Jahr.
  • Das Theater STOK hat eine Selbstfinanzierungsquote von über 75%. Die Auslastung beträgt 75,0 %.
  • Jährliche Gesamteinnahmen/Ausgaben Verein STOK: ca. Sfr. 180 000.-
  • Das Theater wird mit einem städtischen Beitrag von Sfr. 33 500.- unterstützt (exkl. Miete)