AHV21 – Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben
Von Sarah Schaub
Frauen sollen mit einem Jahr mehr Arbeit helfen, die AHV zu finanzieren. Besonders hart trifft das jene, die bereits in der zweiten Säule benachteiligt und die – wie viele Schauspielerinnen – neben ihrem eigentlichen Beruf auf Nebenerwerbstätigkeiten angewiesen sind.
- Am 25. September wird in der Schweiz über die Erhöhung des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre sowie über eine Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer abgestimmt. Die beiden Vorlagen sind aneinander gekoppelt. Nur, wenn beide angenommen werden, kommt die Revision zustande.
- Durch die Erhöhung des Frauenrentenalters sollen 1,4 Milliarden Franken eingespart werden. Diese Einsparung geht zu Lasten der Frauen, die so ein Jahr weniger Leistung beziehen können.
- Frauen werden vom Rentensystem in der Schweiz ohnehin schon benachteiligt, da sie aufgrund von unbezahlter Care-Arbeit sowie Lohndumping Lücken in ihrer Altersvorsorge haben. Sie erhalten im Schnitt rund ein Drittel weniger Renten als Männer.
Ein Jahr länger zahlen, ein Jahr weniger beziehen – Frauen sind doppelt getroffen
Die Finanzierung der AHV ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Die Lebenserwartung steigt, während gleichzeitig nicht mehr einbezahlt wird. Dieses Problem soll nun gelöst werden, indem das Referenzalter für Frauen schrittweise um ein Jahr auf 65 erhöht wird. Das soll der AHV 1,4 Milliarden Franken einsparen. Für Frauen, die bei einer Annahme der Initiative ein Jahr länger arbeiten müssten, würde das gleichzeitig ein Jahr weniger Versichertenleistung bedeuten.
Die Benachteiligung durch die zweite Säule wird damit in der ersten Säule, der AHV, noch verstärkt. In die AHV fliessen 8,7 Prozent des Lohnes, während in die Pensionskasse 14 Prozent fliessen. Die AHV wird auf den gesamten Lohn erhoben. Auf den von der Pensionskasse versicherten Lohn fällt ein pauschaler Koordinationsabzug von rund 25’000 Franken an. Für Teilzeit oder im Niedriglohnbereich Arbeitende ist das benachteiligend, denn bei kleinem Einkommen fällt der Abzug viel schwerer ins Gewicht.
Frauen sind davon weitaus häufiger betroffen als Männer, da an sie jahrzehntelang der Anspruch gestellt wurde, die gemeinsamen Kinder unentgeltlich und auf Kosten ihrer Karriere zu betreuen. Sie sind dann auf eine Querfinanzierung durch ihren Partner angewiesen. Dieses klassische und veraltete Konzept kann aufgehen, sofern Paare sich nicht trennen.
Darstellende Künste: Kaum Geld für die zweite Säule
Das Problem liegt in der systematischen Diskriminierung. Insbesondere für die Frauen in den darstellenden Künsten ist die Situation besonders prekär. 58 Prozent gaben bei einer Umfrage des Schweizer Syndikat Film und Video (SSFV) ein Jahreseinkommen von bis zu 30’000 Franken an. Das bedeutet, dass viele zum Überleben noch anderen Erwerbstätigkeiten nachgehen müssen, sofern sie nicht privat unterstützt werden. Schauspielerinnen verdienen im Durchschnitt 23,3 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.
Der Schauspielmarkt wird ausserdem für weibliche Personen im Alter zusehends dünner. Es fehlen die Rollen für alte Frauen. Sie wurden und werden in Schauspielstücken und Filmen ungenügend repräsentiert. Obschon die überwältigende Mehrheit der Frauen (98 Prozent) eine Schauspielausbildung absolviert und dementsprechend viel investiert hat, kommt nur eine Minderheit allein davon über die Runden. Obschon die Umfrage des SSFV dazu keine gesicherten Aussagen macht, legt sie nahe, dass Frauen im Alter viel häufiger aus dem Schauspielberuf ausscheiden als Männer.
Wer freischaffend tätig ist, hat aufgrund des grossen unbezahlten administrativen Aufwands per se schlechte Aussichten auf eine gesicherte Altersvorsorge. Einige haben das Privileg, dass sie ihre Arbeit weiterhin ausüben und damit ihre Rente aufbessern können. Aber viele müssen branchenfremden Tätigkeiten nachgehen, um ihre Miete bezahlen zu können.
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