Aufbruchsstimmung bei SzeneSchweiz
(Linda Christa Bill) Der neue Präsident Matthias Albold entwickelt Visionen für die Zukunft des Verbandes, aber auch die regionalen Delegierten bringen sich ein. Insgesamt herrschte eine lockere, wohlwollende Atmosphäre, die gutes für SzeneSchweiz erwarten lässt. Ein Rückblick.
Matthias Albold eröffnet die diesjährige Delegiertenversammlung, die im Karl der Grosse in der Zürcher Altstadt stattfand, sehr herzlich und stellt u.a. die „sieben verwegene Frauen“ von Szene Schweiz vor, die wertvolle Arbeit für den Verband leisten. Die Rede des Präsidenten war gespickt von Optimismus und auch unterhaltsam. Im Unterton realistisch, pochte er immer wieder auf den Zusammenhalt innerhalb der Gewerkschaft und ermutigte zu einer ehrlichen und zielgerichteten Arbeitsweise innerhalb des Verbandes.
Alle Vorstandsmitglieder wurden an der Delegiertenversammlung wiedergewählt. Nach dem Memorium erinnert er kurz daran, Todesmeldungen zeitnah ans Sekretariat zu vermitteln und neu auch online zu publizieren. Albold geht auf die letzten zwei Jahren ein und die Schwierigkeiten durch Corona, aber auch besonders auf die jetzige Kriegs-Situation in der Ukraine.
Am 1. Juni fand hierzu eine Benefizveranstaltung für Mariupol am Theater St. Gallen statt. Albold sorgt sich insbesondere um die Situation auch in Europa, da das Kulturschaffen ein stabiles Grundeinkommen und vor allem Ruhe zur Arbeit in Form von Stabilität in der Gesellschaft brauche. Die Probleme würden mit der Weltwirtschaftskrise, verursacht durch den grausamen Krieg in der Ukraine, immer grösser, deshalb appelliert er immer wieder während der Versammlung an den Zusammenhalt, im grossen und im kleinen. Man solle Kulanz und Vertrauen zeigen, momentan befinde sich der Zustand der Welt wieder „wie in der Renaissance“, meint er etwas zugespitzt. Die Kulturschaffenden seien aber nach wie vor das Sprachrohr des Humanismus – wenn man deren Arbeitssituation weiterhin verbessert, entstehen auch bessere Ergebnisse.
Es geht ihm vor allem darum, den Kulturplatz Schweiz nachhaltig zu erhalten, die Kommunikation untereinander in der Gewerkschaft zu fördern und damit Instrumentalisierungen durch Institutionen zu vermindern. Durch die Corona-Krise sind gemäss der informellen Arbeitsgruppe für Kulturpolitik „Taskforce Culture“ mind. 5% der Kulturschaffenden vollständig weggebrochen – dieser Verfall müsse dringend aufgehalten werden.
Und im Kulturbereich gibt es auch eine Art „Unternehmenskultur“, die gefördert werden muss.
Matthias Albold
Albold fordert, dass weniger übereinander, als mehr miteinander geredet werden. Es gebe so viele Leute mit guten Zielen, im Diskurs können man dadurch auch zu neuen Lösungen gelangen und dabei automatisch eine klare Haltung nach aussen zeigen, ist er überzeugt. Mobbing, Bossing etc. könnten so wirksam vermindert oder sogar komplett verhindert werden. Und im Kulturbereich gibt es auch eine Art „Unternehmenskultur“, die gefördert werden muss. In einer Anekdote ermutigt Albold dazu, dass „wir als Künster*innen den Clown in uns in Anspruch nehmen müssen, zur Leitung gehen und den Frust in Freude umwandeln, und in die Diskussion gehen!“ sollen. Auf diese Formulierung ist er durch ein inspirierendes Gespräch mit Martin Zimmermann von „Danse Macabre“, einem zirzensischen Spektakel gekommen.
Die Kultur- und Kreativwirtschaft generiere 70 Milliarden Franken Umsatz, dies gelte es zu schützen.
Salva Leutenegger
Das dominierende Thema der Sitzung war eindeutig die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen im kulturellen Bereich. Taskforce Culture leistete hierfür hervorragende Arbeit und war massgebend für die Verbesserungen der Unterstützungsmassnahmen auch für Freischaffende in befristeten Arbeitsverträgen. „Die Kultur- und Kreativwirtschaft generiere 70 Milliarden Franken Umsatz, dies gelte es zu schützen“, äusserte sich Salva Leutenegger hierzu. Albold erinnert auch daran, dass Defizite durch eine Krise wie die Pandemie in der Risikosphäre des Arbeitgebers liege, was Prof. Geiser von der Rechtsfakultät an der Uni St. Gallen nachgewiesen hat.
Ein weiteres wichtiges und nach wie vor leider sehr aktuelles Thema waren Machtmissbrauch und Übergriffe am Arbeitsplatz. Das „Béjart Ballet“ in Lausanne wurde kürzlich geschlossen wegen genau solcher Vorwürfe. Obwohl ein ausgearbeiteter Verhaltenskodex von Szene Schweiz schon länger an die Häuser ausgesendet wurde, mit der Auflage zur selbstverantwortlichen Umsetzung, hat das leider vielerorts noch nicht funktioniert, obwohl das Prinzip der Selbstverantwortung eigentlich Pflicht der Theaterleitungen wäre.
Es müsse jetzt für gute Arbeitsverhältnisse gesorgt werden und nicht erst in Zukunft, sind sich alle einig.
Ein weiterer wichtiger Punkt war die Fusion von SBKV und der Tessiner TASI zu SzeneSchweiz. Die Fusionsumsetzung erforderte viel und war intensiv für alle Beteiligten, aber letzten Endes erfolgreich. Albold wies auch darauf hin, dass die Regionalgruppen besser aufgestellt werden sollten und der Austausch gefördert.
Der Ausbau der Regionalgruppen soll eine zeitnahe Kommunikation und Diskussion generieren. Die Zusammenarbeit mit der SBV soll trotz Differenzen stattfinden. Ein Kodex mit einer „sauberen Hausordnung“ soll Bewusstsein schaffen und überall in den Institutionen erarbeitet und auch korrekt umgesetzt werden. Es müsse jetzt für gute Arbeitsverhältnisse gesorgt werden und nicht erst in Zukunft, sind sich alle einig.
Auch der Workshop für Gagenverhandlungen ist Thema – Salva Leutenegger meint sehr passend dazu: „Das Leben ist eine einzige Verhandlung!“ – damit hat sie recht, und verweist damit auf die Wichtigkeit von Mediation und korrekter Vermittlung bei Konflikten. Bühnenkünstler*innen müssten angemessen beschäftigt sein, mit repräsentative Rollen, etc., und Abmahnungen durch Unflexibilität dringend verhindert werden.
Es bestünden auch prekäre Situationen durch variable Einsatzzeiten für Bühnenkünstler*innen, die nebenbei einer anderen Arbeit nachgehen müssen, um sich zu finanzieren. Es gebe weiter Workshops, wie z.B. “Projekteingaben und Budgetierung”, “Social Media” und „E-Casting“ – diese Workshops kommen bei den Mitgliedern sehr gut an und werden gratis angeboten. Zu den neu aufkommenden „Intimacy-Coaches“ sind die Meinungen unterschiedlich, Ideen und Anregungen seien hierzu sehr willkommen, betont Leutenegger und verweist auf „Female Act“, als dafür wichtige Organisation.
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