„Die neue Generation von Tänzer*innen“
Mamu Tshi (30 Jahre alt, Kongolesin, lebt in Lausanne, wo sie mit dem Théâtre Sévelin 36 zusammenarbeitet), Dickson Mbi (36 Jahre alt, Kameruner, aufgewachsen in London wo er auch studiert hat, tritt mit Ausnahmekünstlern wie Robbie Williams auf), Joy Ritter (39 Jahre alt, Kalifornierin, philippinischer Herkunft, aufgewachsen in Freiburg im Breisgau wo sie auch studiert hat, arbeitet für Kompanien wie Akram Khan und den Cirque du Soleil) sind die drei Stars des Abends. Drei selbst choreografierte Soli, völlig unterschiedlich in Stil, Technik und Seele: Krumping für Mamu Tshi im Solo „L’Héritière“, Popping für Dickson Mbi in „Duende“ und eine Mischung aus Voguing, philippinischen Volkstänzen und klassischem Training für Joy Ritter in „BABAE“. Sie alle sind auf der Suche nach Neuem, außerhalb ihrer angestammten Techniken, um ihren eigenen zeitgenössischen Stil zu finden: Akram Khan selbst nennt sie „die neue Generation von Tänzern“.
Interview von Lilly Castagneto
„Portraits in Otherness“ ist eine hochkarätige Performance, kuratiert von Akram Khan und produziert von Farroq Chaundhry, im Rahmen des alle zwei Jahre stattfindenden Tanzfestivals STEPS des Migros-Kulturprozent, das seit 1988 in der ganzen Schweiz unterwegs ist. STEPS kehrt mit einer Reihe von zeitgenössischen Tanzaufführungen und außergewöhnlichen choreografischen Aktivitäten zurück. Mit einer Laufzeit von rund vier Wochen ist es auch in diesem Jahr wieder in fast allen Theatern ausverkauft und zeigt nationale und internationale Stars.
Was bedeutet STEPS für dich, Claudia Toggweiler?
Claudia Toggweiler (Roadmanagerin von STEPS): Das Tanzfestival STEPS macht es möglich, aussergewöhnliche Produktionen an rund 38 Orten in der Schweiz zu sehen. Spannend für uns ist vor allem zu beobachten, wie die unterschiedlichen Reaktionen des Publikums ausfallen. Vor allem im Tessin und der Romandie sind die Zuschauer sehr enthusiastisch und warmherzig.
Wie hat die Öffentlichkeit auf STEPS reagiert, Claudia?
Toggweiler: Man spürt, dass sich viele danach sehnten, Tanz wieder live auf der Bühne zu sehen, und tatsächlich waren fast alle Vorstellungen ausverkauft.
Was bedeutet „Portraits in Otherness“ für dich und wie ist die Idee dazu entstanden?
Dickson Mbi: „Portraits in Otherness“ ist eine Abbildung des schlagenden Herzens eines jeden Menschen, unabhängig von Hautfarbe, Religion, Herkunft oder Stil: Wir sind alle gleich, dieselbe Essenz. Die Idee stammt von Akram Khan und Farroq Chaundhry, um Nachwuchschoreographen die Möglichkeit zu geben, auf internationale Tourneen zu gehen. Amandine (Mamu Tshi), die Schweizerin, wollte, dass wir sie bei diesem Abenteuer begleiten.
Ihr seid international bekannte Tanzstars: Wisst ihr, dass ihr das seid?
Dickson: Ich glaube nicht, dass ich ein Star bin, ich glaube, ich bin ein Mensch wie jeder andere, ich versuche, meine Träume zu leben. Ich habe eine sehr strenge Lebensdisziplin: Yoga, Pilates, viele Stunden Training. Ich höre viel auf meinen Körper, damit ich nicht zu müde werde, ich ernähre mich gesund, mein Arbeitsleben ist wirklich sehr streng. In meiner Freizeit schaue ich mir gerne Fußball im Fernsehen an, ich bin ein Fan meiner Mannschaft, ich bin ein ganz normaler Mann aus Ost-London.
Joy Ritter: Ich lerne viel, ich nehme viele verschiedene Kurse: klassischer Tanz, Hip-Hop, Contemporary, Yoga und Jogging. Auf und abseits der Bühne bleiben wir immer Künstler: in meiner Freizeit tanze ich gerne, draußen im Park, ich liebe das Tanzen, es ist mein Beruf, aber auch meine Leidenschaft, ich lebe gerne mit der Kunst.
Wann wurde euch klar, dass der Tanz euer Weg sein würde?
Dickson: Ich entdeckte den Tanz erst mit 18 Jahren für mich. Ich ging in ein Tanzstudio und sah eine Gruppe von Jungs, die Popping tanzten, und ich sagte: „Wow, das will ich mit meinem Leben machen“. Als ich 22 war, traf ich den Meisterlehrer Stuart Thomas. Er brachte mir bei, mich selbst zu sein.
Joy: Ich wusste bereits im Alter von fünf Jahren, dass ich Tänzerin werden wollte.
Welchen Rat könnt ihr Berufstänzern und jungen Talenten geben?
Dickson: Den Berufstänzern sage ich: macht weiter, auch wenn es manchmal schwer erscheint, macht weiter, gebt eure Träume nicht auf und den jungen Talenten: bleibt konzentriert, verlangt viel Disziplin von euch selbst, kein Alkohol, keine Drogen, kein Telefon den ganzen Tag lang.
Joy: Ich weiß, dass es nicht immer einfach ist, aber lasst euch nicht von eurem Weg abbringen, lasst euch nicht ablenken, hört nicht auf eure Zweifel, lernt, unterstützt und inspiriert euch gegenseitig.
Wie können junge Menschen unterstützt werden?
Dickson: Sie zu Veranstaltungen mitnehmen, ihnen Hoffnung geben, wenn sie schlechte Tage haben, jemanden finden, der mit ihnen spricht.
Joy: Glaubt an sie, auch wenn sie nicht perfekt sind.
Wie erreicht ihr die perfekte Kontrolle über euren Körper?
Joy: jeden Tag trainieren und proben, mindestens sieben Stunden, die Schönheit in sich selbst finden, Selbstvertrauen haben und auf seinen Körper hören.
Dickson: Um interessant zu sein, muss man Selbstvertrauen haben: glaube an dich, sei stark!
Wie können wir die Arbeitssituation von Tänzern verbessern?
Joy: Eigenwerbung machen, über den Tanz sprechen, Professionalität zeigen, macht euren Job nicht umsonst nur weil ihr ihn gerne macht, lasst euch immer bezahlen.
Dickson: Es ist sehr schwierig, den Leuten klar zu machen, dass es sich bei unserem Beruf um einen echten Beruf handelt, vielleicht kann die jüngere Generation das verstehen. Man muss qualitativ hochwertige Aufführungen produzieren und sich ständig verbessern.
Amandine (Mamu Tshi, Künstlerin aus Lausanne): Erzähle uns von dir.
Mamu Tshi: Ich bin die Tochter meiner grossartigen Mutter, daher auch mein Künstlername Mamu Tshi, ich entwickle mich immer weiter. Mit 17 Jahren entdeckte ich den Tanz für mich und hatte keine Ahnung, dass dies mein Weg werden würde. Ich bin Englischlehrerin an einem Gymnasium, weil ich mich mit meinem Job als Tänzerin allein nicht über die Runden komme, und ich mir nichts vorenthalten möchte. Also arbeite ich hart als Lehrerin und Tänzerin.
Was kannst du den jungen Schweizer Talenten sagen?
Mamu: Ich finde die Arbeit der jungen Künstler in der Schweiz sehr gut, denn ich sehe sie gehen auf Reisen, und wenn sie zurückkommen sind sie bessere Künstler. Es ist wichtig, mit eigenen Projekten voranzugehen. Ich sehe, dass es eine große Dynamik gibt, dass es ein Verlangen nach etwas Neuem gibt. Auch die Institutionen erkennen, dass Tanz mehr ist als nur Ballett: Tanz ist Kultur. Es gibt viele Talente in der Schweiz. Mein Rat: geht auf Reisen, studiert und lernt immer mehr, kommt mit euren Erfahrungen zurück. In der Schweiz haben die Institutionen sehr viel Geld in die Kultur investiert.
Ich danke Mamu Tshi, Dickson Mbi und Joy Ritter für ihre Zeit, ihre Leidenschaft und ihre Professionalität. Ich danke Claudia Toggweiler und Gene Lou (Tourmanager von STEPS) für ihre Unterstützung und Organisation.
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