«Fransige Knäuel als witziges Kostüm»

(Von Linda Christa Bill) Eine Reportage von der Eröffnung der Künstlerbörse, die den Geist der Bühne nach zwei Jahren Pandemie wieder live vermitteln kann. Genuss, Herausforderung, Erlebnis.

Der Eröffnungsabend der Künstlerbörse Schweiz startet mit einem leisen Auftakt vom Duo fleischlin/meser (Beatrice Fleischlin/Anja Meser), die seit 2009 zusammenarbeiten und ein gemeinsames Kind haben. Ein buntes Knäuel regt sich auf der Bühne, ganz vorsichtig. Bunt beleuchtet, bewegt es sich langsam auf der Bühne fort, räkelt sich der Decke entgegen.

Eine wirkliche Handlung will in den ersten paar Minuten noch nicht erkennbar sein, doch am Ende entpuppt sich dieses fransige Knäuel als witziges Kostüm und bringt das Publikum, welches durchschnittlich im mittleren Alter ist, zum lachen. Ich fühle mich sehr jung unter all den Leuten und mir erscheint das auf der Bühne gezeigte nicht allzu gewagt, es berührt aber auf eigenwillige und tiefsinnige Art und wirkt in diesem Setting sehr erfrischend.  

Das Duo widmet sich in ihren gezeigten Performances, teils interagierend mit dem Publikum,  verschiedenen Themen. Insbesondere der Identität als übergreifendes Phänomen verschiedener Lebensphasen. Sie gehen auf ihre eigene Biografien ein, was eine fühlbare Nähe schafft und sehr nachdenklich stimmt. Besonders schön haben sie den Bühnenraum mit der vierten Wand aufgebrochen und einige Personen aus dem Publikum zu einem „Bühnenspaziergang“ animiert – der Rest sollte sich miteinander unterhalten oder „der Person in der vorderen Reihe eine Nackenmassage gönnen“. Eine nahbarer und berührender Auftritt der besonders nach der Zeit der Pandemie, das Publikum auf liebevolle Weise abzuholen vermag. 

Wie auch der zweite Künstler des Abends, der Ostschweizer Musiker, Comiczeichner und Kabarettist Manuel Stahlberger wurden fleischig/meser mit dem „Schweizer Preise Darstellende Künste“ ausgezeichnet. Die Schweizer Künstlerbörse bietet als Promotionspartnerin der vom BKA vorgegebenen Preise und bietet damit den Bühnenschaffenden eine Plattform. Im kurzen Gespräch mit Urs Arnold, Presseverantwortlicher der Künstlerbörse, erfahre ich, dass die Veranstaltung ein wichtiger Vermittlungsanlass zwischen Künstler*innen, Veranstalter*innen und Agenturen ist. Er sagt, es passiere hier sehr viel Diffusion, weil Leute aus unterschiedlichen kulturellen Bereichen aufeinandertreffen.

Eine Plattform, um sichtbar zu werden

Eine Plattform, um mit einem Gig aufzutreten und sich schweizweit und international zu vernetzen. Der kulturpolitische Austausch findet in speziell dafür geschaffenen Formaten statt – die Künstlerbörse wirkt als mehrdimensionale Plattform. Arnold meint, die Begegnung an sich ist eine Bereicherung in der post-pandemischen Zeit und anders als in den letzten zwei Jahre, als der Event als digitale Übertragung stattfand. Dafür konnte man sich jeweils einen Zugang für ein Screening via Website kaufen, aber das sei längst nicht dasselbe gewesen wie den Event live zu erleben. Auch das „Feeling“ an der digitale Exposition sei ganz anders gewesen. 

Da es einen solchen Anlass gesamtschweizerisch betrachtet nur in dieser Form gibt, liege darin das Erfolgsgeheimnis. Die Künstlerbörse hat eine hohe Anziehungskraft und schickt gewisse Impulse voraus für die kommende Saison in der Kultur. Sie wurde bekannt durch die langjährige Tradition und auch durch den Verband t. Theaterschaffen Schweiz, der viele Mitglieder und weitere Leute anzieht. Schon die Stimmung beim Apéro als auch später im Kultur-und Kongresszentrum KKThun lässt den Gala-Event erleben, die Leute unterhalten sich und geniessen dieses langersehnte Wiedersehen nach der Pandemie.

Nach der Pandemie: „Wir haben Sie vermisst“

Dieses Thema wird auch in den drei Grussworten erwähnt und insbesondere auf die Wichtigkeit der Kultur hingewiesen. Irene Kälin meint mit ihrer gewinnenden Art ans Publikum gewandt: „Wir haben Sie vermisst“ und pocht auf die Systemrelevanz der Kultur. Weiter erzählt sie von einem berührenden Theaterbesuch mit ihrem Sohn und wie die Kultur auch auf schöne Art und Weise die Familie zusammenbringe. Christine Häusler, die Bildungs- und Kulturdirektorin des Kantons Bern meint im Vorfeld: „Ich freue mich auf die Schweizer Künstlerbörse, weil Künstlerinnen, Künstler und Veranstaltende sich wieder «live» treffen dürfen – und weil sie nicht aufgegeben haben während der Pandemie!»

Einmalige Bühnenkunst

Und Gisela Nyfeler, die Leiterin der Schweizer Künstlerbörse: «Ich freue mich auf die Schweizer Künstlerbörse, weil wir endlich wieder berührende, inspirierende, unterhaltende, überraschende, wohltuende, aufrüttelnde, sprich: einmalige Bühnenkunst zeigen können.» Manuel Stahlberger bringt mit seiner satirischen, teils frohlockenden und immer wieder tiefgründigen Darbietung das Publikum herzlich zum Lachen und zum Nachdenken.

Für mich war das ein sehr interessanter Abend mit einem spannenden Einblick in das schweizerische Kunstschaffen und eintauchen in die derzeitige Stimmung. Danke, t. für diesen tollen Event!

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